Einleitung: Ein kürzlich ergangenes Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19.12.2024 (Az.: B 5 R 14/23 R) befasst sich mit der Frage der Wissenszurechnung im Sozialrecht und den Folgen für die Rückforderung überzahlter Rentenleistungen. Der Fall verdeutlicht die Bedeutung der sorgfältigen Prüfung von Rentenbescheiden und die weitreichenden Konsequenzen, die sich aus Fehlern von beauftragten Rentenberatern ergeben können.
Dem Kläger wurde im Jahr 2011 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen bewilligt. Bei der Berechnung der Rente wurde ein aufgrund eines Versorgungsausgleichs vorzunehmender Abschlag an Entgeltpunkten nicht berücksichtigt. Der Fehler fiel erst Jahre später auf, woraufhin die Behörde die Rente neu berechnete und eine Rückforderung der Überzahlung geltend machte. Der Kläger hatte die Rente durch einen Rentenberater beantragen lassen.
Kernfrage des Rechtsstreits war, ob sich der Kläger die grob fahrlässige Unkenntnis seines Rentenberaters über die Fehlerhaftigkeit des ursprünglichen Rentenbescheids zurechnen lassen muss. Das BSG hatte zu klären, ob die im Zivilrecht entwickelte Figur des „Wissensvertreters“ auch im Sozialrecht Anwendung findet und ob sich dies auf die Rückforderung von Leistungen nach § 45 SGB X auswirkt.
Das BSG wies die Revision des Klägers zurück und bestätigte die Rückforderung der überzahlten Rente. Das Gericht argumentierte, dass die Grundsätze der Wissenszurechnung, wie sie im Zivilrecht in § 166 BGB verankert sind, auch im Sozialrecht Anwendung finden können. Ein Leistungsempfänger müsse sich demnach die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis seines Wissensvertreters zurechnen lassen. Im vorliegenden Fall sei der Rentenberater als Wissensvertreter des Klägers anzusehen gewesen. Zu seinen Pflichten habe die sorgfältige Prüfung des Rentenbescheids gehört. Da der Rentenberater die Fehlerhaftigkeit des Bescheids hätte erkennen müssen, müsse sich der Kläger diese grob fahrlässige Unkenntnis zurechnen lassen. Die Rückforderung der überzahlten Rente sei daher rechtmäßig.
Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung der sorgfältigen Auswahl und Kontrolle von Rentenberatern. Es unterstreicht die Verantwortung des Leistungsempfängers, sich der Sachkenntnis eines Beraters zwar zu bedienen, aber auch die Konsequenzen für dessen Fehler zu tragen. Die Entscheidung stärkt die Position der Rentenversicherungsträger bei der Rückforderung überzahlter Leistungen.
Das BSG-Urteil liefert eine wichtige Klarstellung zur Wissenszurechnung im Sozialrecht. Es betont die Eigenverantwortung der Leistungsempfänger, auch bei Beauftragung eines Beraters, und dürfte die Praxis der Rentenversicherungsträger bei der Rückforderung überzahlter Leistungen beeinflussen. Für die Zukunft bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung zur Wissenszurechnung in anderen sozialrechtlichen Konstellationen weiterentwickelt.
Quelle: Urteil des Bundessozialgerichts vom 19.12.2024 (Az.: B 5 R 14/23 R)