Einführung: Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in einem Beschluss vom 27.12.2024 (Az. 11 VR 14/24) die Anträge von zwei Grundstückseigentümern und einer Stadt gegen eine vorzeitige Besitzeinweisung für den Bau einer Höchstspannungsleitung abgelehnt. Der Beschluss hat Bedeutung für die Beschleunigung von Infrastrukturprojekten und die Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Interessen.
Hintergrund des Falls: Die Antragsteller, zwei Miteigentümer eines Grundstücks und eine Stadt mit einer Dienstbarkeit für eine Trinkwasserleitung auf dem Grundstück, wehrten sich gegen die vorzeitige Besitzeinweisung der Beigeladenen, des Trägers des Leitungsprojekts. Der Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Arnsberg vom 7. Juli 2022, ergänzt und geändert im April 2024, genehmigte die Errichtung der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Attendorn - Landesgrenze Rheinland-Pfalz. Die Leitung ist Teil eines größeren Projekts (Nr. 19 im Bedarfsplan zum Energieleitungsausbaugesetz) und quert das Grundstück der Antragsteller.
Rechtliche Fragen: Im Zentrum des Verfahrens standen Fragen der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit der vorzeitigen Besitzeinweisung nach § 44b EnWG. Die Antragsteller rügten unter anderem die fehlende Beweissicherung des Grundstückszustands vor der mündlichen Verhandlung, die Befangenheit des entscheidenden Enteignungsdezernenten, die Verletzung des rechtlichen Gehörs und die Unbestimmtheit des Besitzeinweisungsbeschlusses. Sie argumentierten zudem, der sofortige Baubeginn sei nicht geboten und die Besitzeinweisung sei unverhältnismäßig.
Entscheidung und Begründung: Das BVerwG wies die Anträge ab. Es bestätigte die Zuständigkeit nach § 44b Abs. 7 Satz 1 EnWG und § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Das Gericht stellte fest, dass die vorzeitige Besitzeinweisung rechtmäßig sei. Die formellen Rügen der Antragsteller wurden zurückgewiesen. Insbesondere sei eine Beweissicherung des Grundstückszustands nicht zwingend erforderlich und die Besorgnis der Befangenheit sei unbegründet. Auch die behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs sei unbeachtlich, da sie die Entscheidung nicht beeinflusst habe. Der Besitzeinweisungsbeschluss sei zudem hinreichend bestimmt. In der materiellen Prüfung betonte das Gericht, dass der sofortige Baubeginn aufgrund der Dringlichkeit des Projekts geboten sei. Die Einwände der Antragsteller bezüglich der Auswirkungen auf die Pferdehaltung und die Trinkwasserversorgung wurden zurückgewiesen. Das Gericht stellte fest, dass die Besitzeinweisung vom Planfeststellungsbeschluss gedeckt und nicht unverhältnismäßig sei.
Auswirkungen: Der Beschluss des BVerwG stärkt die Anwendung des § 44b EnWG zur Beschleunigung von Infrastrukturprojekten. Er verdeutlicht die hohe Hürde für Grundstückseigentümer, sich gegen eine vorzeitige Besitzeinweisung zu wehren, wenn das öffentliche Interesse überwiegt. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Planung und Begründung von Besitzeinweisungsbeschlüssen.
Schlussfolgerung: Das BVerwG hat die vorzeitige Besitzeinweisung für die Höchstspannungsleitung bestätigt und damit den Weg für den zügigen Bau geebnet. Der Beschluss verdeutlicht das Spannungsfeld zwischen der Beschleunigung wichtiger Infrastrukturprojekte und dem Schutz privater Interessen. Zukünftige Entwicklungen in der Rechtsprechung zum § 44b EnWG bleiben abzuwarten.
Quelle: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.12.2024 - 11 VR 14/24