Einführung: Der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) hat am 27.12.2024 einen Beschluss gefasst (Aktenzeichen: 11 VR 15/24), der die vorzeitige Besitzeinweisung für den Bau einer Höchstspannungsleitung bestätigt. Dieser Beschluss hat Bedeutung für die laufenden Diskussionen um den Ausbau der deutschen Energieinfrastruktur und die Rechte von Grundstückseigentümern.
Drei Miteigentümer eines Grundstücks (die Antragsteller) klagten gegen die vorzeitige Besitzeinweisung ihres Grundstücks für den Bau eines Abschnitts der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Attendorn - Landesgrenze Rheinland-Pfalz. Auf dem Grundstück verlaufen Trinkwasserleitungen. Der Planfeststellungsbeschluss für die Leitung liegt vor, wurde jedoch von den Antragstellern erfolglos angefochten. Die Beigeladene, der Vorhabenträger, beantragte die vorzeitige Besitzeinweisung, um mit den Bauarbeiten beginnen zu können. Der Antragsgegner, die zuständige Behörde, gab dem statt.
Die Antragsteller rügten verschiedene formelle und materielle Rechtsfehler. Formal wurde die fehlende Beweissicherung des Grundstückszustands vor Beginn der Bauarbeiten, die angebliche Befangenheit des entscheidenden Behördenmitarbeiters und die fehlende Möglichkeit zur Stellungnahme zu einem Schreiben der Beigeladenen moniert. Materiell argumentierten die Antragsteller, der sofortige Baubeginn sei nicht geboten und der Besitzeinweisungsbeschluss sei unbestimmt, überschießend und unverhältnismäßig.
Das BVerwG wies die Anträge der Kläger auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen ab. Es sah die vorzeitige Besitzeinweisung als rechtmäßig an. Die formellen Rügen wurden zurückgewiesen, da eine Beweissicherung nicht zwingend erforderlich sei und die behauptete Befangenheit nicht vorliege. Auch die fehlende Anhörung rechtfertige keine Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Materiellrechtlich bejahte das Gericht das Erfordernis des sofortigen Baubeginns aufgrund der Dringlichkeit des Leitungsausbaus. Die Einwände der Antragsteller hinsichtlich der Trinkwasserleitungen wurden zurückgewiesen, da diese im Planfeststellungsbeschluss bereits berücksichtigt wurden. Der Besitzeinweisungsbeschluss wurde als hinreichend bestimmt und von dem Planfeststellungsbeschluss gedeckt angesehen. Die vorgebrachten Unverhältnismäßigkeiten wurden ebenfalls verneint.
Der Beschluss stärkt die Position der Vorhabenträger beim Ausbau der Energieinfrastruktur. Er verdeutlicht, dass die Gerichte die Dringlichkeit des Netzausbaus anerkennen und den formellen Anforderungen an Besitzeinweisungsverfahren hohe Bedeutung beimessen. Gleichzeitig betont das Gericht den Schutz der Grundstückseigentümer vor unverhältnismäßigen Eingriffen.
Der Beschluss des BVerwG liefert wichtige Hinweise zur Rechtslage bei vorzeitigen Besitzeinweisungen im Rahmen des Energieleitungsausbaus. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung in diesem Bereich weiterentwickelt und wie die Interessen von Vorhabenträgern und Grundstückseigentümern zukünftig abgewogen werden.
Quelle: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.12.2024 - 11 VR 15/24