Einleitung: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine wichtige Frage zur Auslegung der EU-Insolvenzverordnung und ihrer Auswirkungen auf die Staatenimmunität vorgelegt. Die Entscheidung des EuGH wird erhebliche Auswirkungen auf grenzüberschreitende Insolvenzverfahren haben.
Der Fall betrifft ein Insolvenzverfahren, in dem der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union anficht. Der Insolvenzverwalter argumentiert, diese Handlungen benachteiligten die Gläubigergesamtheit. Der Mitgliedstaat beruft sich auf seine Staatenimmunität.
Die zentrale Rechtsfrage betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 der EU-Insolvenzverordnung (Verordnung (EU) 2015/848). Der BGH möchte vom EuGH wissen, ob diese Bestimmung einen konkludenten Verzicht der Mitgliedstaaten auf ihre Staatenimmunität in solchen Fällen beinhaltet. Konkret geht es darum, ob ein Insolvenzverwalter, der sich auf das anwendbare Insolvenzrecht beruft, Klagen gegen einen Mitgliedstaat erheben kann, wenn dieser Handlungen vorgenommen hat, die die Gläubiger benachteiligen.
Der BGH hat noch keine endgültige Entscheidung getroffen. Stattdessen hat er das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die oben genannte Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt. Die Begründung des BGH für die Vorlage an den EuGH liegt darin, dass die Auslegung von Unionsrecht durch den EuGH erfolgen muss, um eine einheitliche Anwendung in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten.
Die Entscheidung des EuGH wird weitreichende Folgen für die Praxis grenzüberschreitender Insolvenzverfahren haben. Je nachdem, wie der EuGH die Frage beantwortet, wird es für Insolvenzverwalter entweder einfacher oder schwieriger, Ansprüche gegen Mitgliedstaaten geltend zu machen. Die Entscheidung wird die Balance zwischen der Wahrung der Staatenimmunität und der effektiven Durchführung von Insolvenzverfahren beeinflussen.
Die Vorlage an den EuGH unterstreicht die Komplexität grenzüberschreitender Insolvenzverfahren und die Bedeutung der EU-Insolvenzverordnung. Die Entscheidung des EuGH wird Klarheit über die Reichweite der Staatenimmunität in diesem Kontext schaffen und die zukünftige Praxis in solchen Verfahren maßgeblich prägen. Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH die vorgelegte Frage beantworten wird.
Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.01.2025, Az. IX ZR 60/24