Einführung: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Beschluss vom 17. Oktober 2024 (Az. 6 StR 494/24) die Entscheidung des Landgerichts (LG) Lüneburg vom 27. Juni 2024 zur Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen einen Angeklagten teilweise aufgehoben. Der Fall betrifft die Reichweite der Bindungswirkung eines früheren BGH-Beschlusses und die Anforderungen an die Feststellung der Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung.
Hintergrund des Falls: Der Angeklagte war vom LG Lüneburg wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden. Das LG hatte zudem die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Auf die Revision des Angeklagten hatte der BGH das Urteil im Straf- und Maßregelausspruch aufgehoben und die Sache an das LG zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang verurteilte das LG den Angeklagten erneut und ordnete wiederum die Sicherungsverwahrung an. Gegen diese Entscheidung richtete sich die erneute Revision des Angeklagten.
Rechtliche Fragen: Im Mittelpunkt des Verfahrens stand die Frage, in welchem Umfang das LG an die Feststellungen des ersten Urteils gebunden war, die der BGH aufrechterhalten hatte. Speziell ging es um die Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung, insbesondere das Vorliegen eines Hangs zu erheblichen Straftaten und die daraus resultierende Gefährlichkeit des Angeklagten.
Entscheidung und Begründung: Der BGH hob die Entscheidung des LG zur Sicherungsverwahrung auf, während der Schuldspruch rechtskräftig blieb. Der BGH stellte fest, dass das LG die Reichweite der Bindungswirkung des ersten BGH-Beschlusses verkannt hatte. Die aufrechterhaltenen Feststellungen betrafen lediglich die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung, nicht aber die materiellen Voraussetzungen des Hangs und der Gefährlichkeit. Das LG hätte diese Voraussetzungen im zweiten Rechtsgang eigenständig prüfen und feststellen müssen. Die Bezugnahme auf die Erwägungen des früheren Urteils war unzureichend.
Auswirkungen: Die Entscheidung des BGH verdeutlicht die Bedeutung der eigenständigen Prüfung der materiellen Voraussetzungen für die Sicherungsverwahrung durch das Tatgericht, auch im Falle einer teilweisen Aufhebung des Urteils durch den Revisionsgerichtshof. Die Bindungswirkung aufrechterhaltener Feststellungen erstreckt sich nicht auf die Bewertung des Hangs und der Gefährlichkeit.
Schlussfolgerung: Der Fall unterstreicht die Komplexität der Sicherungsverwahrung und die hohen Anforderungen an die gerichtliche Feststellung ihrer Voraussetzungen. Die Entscheidung des BGH dient der Klarstellung der Reichweite der Bindungswirkung im Revisionsverfahren und stärkt die Rechte des Angeklagten im Hinblick auf die eigenständige Prüfung der Voraussetzungen für eine so einschneidende Maßnahme wie die Sicherungsverwahrung.
Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17. Oktober 2024, Az. 6 StR 494/24 (abgerufen vom Deutschen Rechtsprechungsportal).