Einleitung: Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in einem kürzlich veröffentlichten Urteil entschieden, dass die Sicherung des Lebensunterhalts und das Vorhalten von Wohnraum durch einen subsidiär Schutzberechtigten keine Verkürzung der im Aufenthaltsgesetz (§ 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG) festgelegten Trennungszeiten rechtfertigen. Diese Entscheidung hat bedeutende Auswirkungen auf die Familienzusammenführung von subsidiär Schutzberechtigten.
Der Fall betrifft ein Ehepaar, bei dem ein Partner subsidiären Schutz in Deutschland genießt. Das Verwaltungsgericht Berlin hatte zuvor entschieden, dass die Trennungszeiten verkürzt werden könnten. Das BVerwG hob diese Entscheidung nun auf.
Kernfrage des Verfahrens war, ob die Sicherung des Lebensunterhalts und das Vorhalten von Wohnraum als "besondere Umstände des Einzelfalles" im Sinne des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG zu werten sind und somit eine Verkürzung der Trennungszeiten rechtfertigen. Hierbei geht es um die Auslegung des Begriffs der "besonderen Umstände" und die Abwägung zwischen dem Schutz der Familie und den migrationspolitischen Zielen des Gesetzgebers.
Das BVerwG entschied, dass die Sicherung des Lebensunterhalts und das Vorhalten von Wohnraum nicht ausreichen, um die Trennungszeiten zu verkürzen. Das Gericht argumentierte, dass diese Aspekte bereits im Regelfall vom subsidiär Schutzberechtigten erwartet werden und daher keine außergewöhnlichen Umstände darstellen. "Besondere Umstände" im Sinne des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG müssen spezifisch ehe- oder familienbezogen sein und ein Gewicht oder eine Atypik aufweisen, die den Regelausschluss schon vor Ablauf der den Eheleuten zuzumutenden Trennungszeit zurücktreten lässt.
Dieses Urteil verdeutlicht die hohen Anforderungen an das Vorliegen "besonderer Umstände" für eine Verkürzung der Trennungszeiten bei der Familienzusammenführung von subsidiär Schutzberechtigten. Es bekräftigt die restriktive Auslegung des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG und dürfte die Familienzusammenführung in solchen Fällen erschweren.
Die Entscheidung des BVerwG stellt einen wichtigen Präzedenzfall im Bereich des Aufenthaltsrechts dar. Sie verdeutlicht den hohen Stellenwert, den der Gesetzgeber den regulären Trennungszeiten beimisst und schränkt die Möglichkeiten der Verkürzung auf außergewöhnliche, ehe- oder familienbezogene Umstände ein. Zukünftige Entscheidungen werden zeigen, wie die Gerichte diese Grundsätze im Einzelfall anwenden werden.
Quelle: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24.10.2024 - 1 C 17/23 (ECLI:ECLI:DE:BVerwG:2024:241024U1C17.23.0)