Einleitung: Ein kürzlich ergangenes Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat weitreichende Auswirkungen auf die Berechnung von Nachtarbeitszuschlägen für Arbeitnehmer in Nachtschichten. Das Gericht entschied, dass die im Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer und Auszubildenden der Döhler Dahlenburg GmbH vom 16. November 2017 (MTV) festgelegte Unterscheidung zwischen Nachtarbeit und Nachtschichtarbeit in Bezug auf die Zuschlagshöhe gegen den Gleichheitssatz verstößt.
Hintergrund des Falls: Der Kläger, ein Mitglied der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), arbeitete im Zeitraum April bis Juni 2019 in Nachtschichten bei der Beklagten, einem Unternehmen der Ernährungsindustrie. Er erhielt für die geleistete Nachtarbeit Zuschläge gemäß § 5 Ziff. 2 Buchst. e MTV. Diese fielen jedoch geringer aus als der Zuschlag für Nachtarbeit außerhalb von Schichtsystemen gemäß § 5 Ziff. 2 Buchst. d MTV. Der Kläger argumentierte, diese Ungleichbehandlung sei nicht sachlich gerechtfertigt und verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Rechtliche Fragen: Kern der rechtlichen Auseinandersetzung war die Frage, ob die unterschiedlichen Zuschlagshöhen für Nachtarbeit und Nachtschichtarbeit mit dem Gleichheitssatz vereinbar sind. Die Beklagte argumentierte, die beiden Gruppen von Arbeitnehmern seien nicht vergleichbar und die unterschiedlichen Zuschläge seien durch die höhere Planbarkeit von Nachtschichtarbeit gerechtfertigt. Zudem verwies sie auf die Schichtfreizeiten als Ausgleich für die Belastungen der Nachtschichtarbeit.
Entscheidung und Begründung: Das BAG gab der Revision des Klägers weitestgehend statt. Das Gericht stellte fest, dass die tarifvertragliche Unterscheidung zwischen Nachtarbeit und Nachtschichtarbeit in Bezug auf die Zuschlagshöhe gegen den Gleichheitssatz verstößt. Die Beklagte wurde verurteilt, dem Kläger die Differenz zwischen den gezahlten und den nach § 5 Ziff. 2 Buchst. d MTV zustehenden Zuschlägen nachzuzahlen. Das Gericht argumentierte, dass der MTV keine sachlichen Gründe für die Ungleichbehandlung liefere. Die Schichtfreizeiten seien zudem kein spezifischer Ausgleich für Nachtarbeit, sondern vielmehr eine Kompensation für die Belastungen durch den Schichtwechsel. Auch die Argumentation der Beklagten, Nachtarbeit außerhalb von Schichtsystemen sei unregelmäßiger und daher höher zu vergüten, ließ das Gericht nicht gelten, da der MTV keine solche Beschränkung auf unregelmäßige Nachtarbeit enthalte.
Auswirkungen: Das Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis der Nachtarbeitszuschläge. Arbeitgeber, die ähnliche Tarifverträge anwenden, müssen ihre Vergütungspraxis überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Das Urteil stärkt die Rechte von Nachtschichtarbeitnehmern und sorgt für eine gerechtere Vergütung von Nachtarbeit.
Schlussfolgerung: Das BAG-Urteil vom 04.12.2024 (10 AZR 89/24) stellt einen wichtigen Schritt zur Gleichbehandlung von Arbeitnehmern dar, die Nachtarbeit leisten. Es bleibt abzuwarten, wie die Tarifvertragsparteien auf diese Entscheidung reagieren und ob weitere Klagen folgen werden. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung des Gleichheitssatzes im Arbeitsrecht und verdeutlicht, dass sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlungen von Arbeitnehmern nicht hinzunehmen sind.
Quelle: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 04.12.2024 - 10 AZR 89/24