Einführung: Ein kürzlich ergangener Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) hat weitreichende Folgen für die Auswahl von Unteroffizieren für den Aufstieg in die Offizierslaufbahn. Das Gericht entschied, dass die bisherige Praxis der Potenzialfeststellung einer gesetzlichen Grundlage bedarf.
Hintergrund des Falls: Der Beschluss vom 29.10.2024 (Az. 1 WB 36/23) befasste sich mit der Klage eines Unteroffiziers, der sich gegen die Entscheidung der Bundeswehr, ihn nicht für die Offizierslaufbahn zu berücksichtigen, gewandt hatte. Ein Kernpunkt der Klage war die Verwendung der Potenzialfeststellung als Auswahlkriterium.
Rechtliche Fragen: Das zentrale Thema des Verfahrens war die Frage, ob die Potenzialfeststellung für Unteroffiziere, die als entscheidendes Kriterium für den Aufstieg in die Offizierslaufbahn dient, eine ausreichende gesetzliche Grundlage hat. Der Kläger argumentierte, die bisherige Praxis, die sich auf Verwaltungsvorschriften stützt, verstoße gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts im Bereich des Art. 33 Abs. 2 GG.
Entscheidung und Begründung: Das BVerwG gab dem Kläger recht. Das Gericht stellte fest, dass die Potenzialfeststellung als unmittelbar (mit-)entscheidendes Auswahlkriterium für den Aufstieg in die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes eine gesetzliche Grundlage benötigt. Die bisherige Praxis, die sich allein auf Verwaltungsvorschriften stützt, sei nicht ausreichend. Das Gericht betonte die Bedeutung des Art. 33 Abs. 2 GG, der die Regelung des Zugangs zu öffentlichen Ämtern dem Gesetzgeber vorbehält. Das Gericht lehnte auch die Möglichkeit ab, den Mangel einer gesetzlichen Grundlage für eine Übergangszeit hinzunehmen.
Auswirkungen: Die Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen auf die Auswahlverfahren der Bundeswehr. Die Bundeswehr muss nun die Auswahlkriterien für die Offizierslaufbahn überarbeiten und eine gesetzliche Grundlage für die Potenzialfeststellung schaffen. Bis dahin dürfen die Ergebnisse der Potenzialfeststellung nur als "ergänzendes Hilfsmittel" herangezogen werden, wenn die gesetzlich verankerten Auswahlinstrumente (Regelbeurteilung, Personalentwicklungsbewertung) keinen eindeutigen Vorsprung eines Bewerbers ergeben.
Schlussfolgerung: Der Beschluss des BVerwG stärkt den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts im Bereich des öffentlichen Dienstes. Es bleibt abzuwarten, wie der Gesetzgeber auf die Entscheidung reagieren und die gesetzliche Grundlage für die Potenzialfeststellung ausgestalten wird. Die Entscheidung dürfte auch Auswirkungen auf andere Bereiche des öffentlichen Dienstes haben, in denen ähnliche Auswahlverfahren angewendet werden.
Quelle: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.10.2024 - 1 WB 36/23 (ECLI:ECLI:DE:BVerwG:2024:291024B1WB36.23.0)