Einführung: Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 13. November 2024 (Az.: 9 C 4/23) entschieden, dass die Einleitung von Abwasser über sogenannte Teilortskanalisationen nicht unter die Sonderregelung für Kleineinleitungen im Abwasserabgabengesetz (AbwAG) fällt. Die Entscheidung hat weitreichende Bedeutung für Abwasserzweckverbände und Gemeinden, die solche Anlagen betreiben.
Sachverhalt: Ein Abwasserzweckverband klagte gegen die Festsetzung einer Abwasserabgabe für das Jahr 2006. Der Verband sammelte in seinem Gebiet das in Kleinkläranlagen vorgereinigte Abwasser der Einwohner in Teilortskanalisationen und leitete es anschließend in Gewässer ein. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hatte dem Kläger teilweise Recht gegeben und argumentiert, dass es sich um Kleineinleitungen im Sinne des § 8 AbwAG handele.
Rechtsfragen: Kernfrage des Verfahrens war, ob die Einleitung von Abwasser über Teilortskanalisationen durch einen Abwasserzweckverband als Kleineinleitung gemäß § 8 AbwAG zu qualifizieren ist. Streitig war insbesondere, ob die Voraussetzungen des § 8 AbwAG auch dann erfüllt sind, wenn der Zweckverband selbst als Einleiter nach § 9 Abs. 1 AbwAG abgabepflichtig ist und nicht stellvertretend für die einzelnen Haushalte nach § 9 Abs. 2 Satz 2 AbwAG.
Entscheidung und Begründung: Das BVerwG hob das Urteil des OVG auf und wies die Klage des Abwasserzweckverbands ab. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass § 8 AbwAG nur dann greift, wenn eine Körperschaft des öffentlichen Rechts "an Stelle" der eigentlichen Einleiter abgabepflichtig ist. Im vorliegenden Fall sei der Zweckverband jedoch selbst der Einleiter im Sinne des § 9 Abs. 1 AbwAG und nicht stellvertretend für die einzelnen Haushalte tätig. Der Wortlaut des § 8 AbwAG, die Gesetzesgeschichte und auch systematische und teleologische Erwägungen sprächen gegen die Auslegung des OVG. Insbesondere der Lenkungszweck der Abwasserabgabe und der Vorrang der zentralen Abwasserbeseitigung würden eine Anwendung des § 8 AbwAG auf die vorliegende Konstellation ausschließen.
Auswirkungen: Das Urteil des BVerwG klärt eine wichtige Frage im Abwasserabgabenrecht. Es stärkt den Anreiz für Abwasserzweckverbände, dezentrale Abwasserbeseitigungskonzepte zugunsten zentraler Lösungen aufzugeben. Die pauschalierte Abgabebemessung und die Möglichkeit der Abgabefreiheit nach § 8 AbwAG gelten nicht für Einleitungen über Teilortskanalisationen, wenn der Zweckverband selbst der Einleiter ist.
Schlussfolgerung: Die Entscheidung des BVerwG dürfte zu einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung in diesem Bereich führen. Abwasserzweckverbände, die Teilortskanalisationen betreiben, müssen sich darauf einstellen, dass die Einleitung von Abwasser über diese Anlagen der regulären Abwasserabgabe unterliegt. Eine analoge Anwendung oder verfassungskonforme Auslegung des § 8 AbwAG lehnte das BVerwG ab.
Quelle: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. November 2024 - 9 C 4/23 (Pressemitteilung des Gerichts)