Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 28. Januar 2025 ein wichtiges Urteil (Az. X ZR 68/22) zur Rückzahlung von Reiseanzahlungen im Kontext der COVID-19-Pandemie gefällt. Das Urteil klärt die Frage, ob ein Reiseveranstalter einen Entschädigungsanspruch geltend machen kann, wenn ein Reisender vor Reisebeginn aufgrund der Pandemie vom Vertrag zurücktritt und der Veranstalter die Reise später selbst absagt.
Die Klägerin buchte bei der Beklagten eine Pauschalreise, die im September/Oktober 2020 stattfinden sollte. Aufgrund der Corona-Pandemie trat die Klägerin im August 2020 vom Vertrag zurück. Die Beklagte behielt die Anzahlung ein und stellte eine Stornierungsgebühr in Rechnung. Im September 2020 sagte die Beklagte die Reise schließlich selbst ab, verweigerte jedoch die Rückerstattung der von der Klägerin geleisteten Zahlungen.
Zentraler Streitpunkt war die Frage, ob die Beklagte trotz der späteren eigenen Stornierung einen Anspruch auf eine Entschädigungszahlung gemäß § 651h Abs. 1 Satz 3 BGB hat. Hierbei war insbesondere zu klären, ob für die Beurteilung der Sachlage der Zeitpunkt des Rücktritts der Klägerin oder der spätere Zeitpunkt der Absage durch die Beklagte maßgeblich ist. Weiterhin war relevant, ob die COVID-19-Pandemie als "unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstand" im Sinne des § 651h Abs. 3 Satz 2 BGB einzustufen ist.
Der BGH hob das Urteil des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache zurück. Der BGH bestätigte zwar, dass die COVID-19-Pandemie grundsätzlich als "unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstand" im Sinne des § 651h Abs. 3 Satz 2 BGB gelten kann. Entscheidend sei jedoch der Zeitpunkt des Rücktritts. Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) seien für die Beurteilung der Frage, ob ein Entschädigungsanspruch besteht, ausschließlich die Umstände zum Zeitpunkt des Rücktritts maßgeblich. Das Berufungsgericht habe daher zu Unrecht den späteren Zeitpunkt der Absage durch die Beklagte berücksichtigt. Der BGH stellte klar, dass die vorbehaltlose Zahlung der Stornierungsgebühr durch die Klägerin weder ein Anerkenntnis noch einen Verzicht auf die Rückforderung darstellt.
Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung des Rücktrittszeitpunkts für die Beurteilung von Entschädigungsansprüchen bei pandemiebedingten Reiserücktritten. Es stärkt die Rechte der Reisenden und schafft Klarheit in der Anwendung des § 651h BGB im Kontext der COVID-19-Pandemie. Das Berufungsgericht muss nun prüfen, ob zum Zeitpunkt des Rücktritts der Klägerin bereits konkrete Umstände vorlagen, die eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise erwarten ließen.
Das BGH-Urteil liefert wichtige Hinweise für die Beurteilung von Reiserücktritten im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie. Es bleibt abzuwarten, wie das Berufungsgericht die vom BGH geforderten Feststellungen treffen wird. Die Entscheidung dürfte jedoch wegweisend für zukünftige Fälle sein und die Rechtsprechung in diesem Bereich weiter konkretisieren.