Ein kürzlich vom Bundesgerichtshof (BGH) gefälltes Urteil (Az. X ZR 81/22 vom 28.01.2025) klärt wichtige Fragen bezüglich der Rückzahlung von Reiseanzahlungen bei Stornierungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie. Der Fall betrifft die Rückforderung einer Anzahlung für eine Pauschalreise, die aufgrund der Pandemie abgesagt wurde. Die Entscheidung des BGH hat weitreichende Bedeutung für Reisende und Reiseveranstalter.
Die Klägerin buchte im Oktober 2019 eine Pauschalreise bei der Beklagten, die im Juni 2020 stattfinden sollte. Sie leistete eine Anzahlung. Im März 2020 trat die Klägerin aufgrund der sich ausbreitenden Corona-Pandemie vom Vertrag zurück. Die Beklagte behielt die Anzahlung ein und stellte zusätzlich Stornierungsgebühren in Rechnung. Später sagte die Beklagte die Reise aufgrund der Pandemie ab. Die Klägerin klagte auf Rückzahlung der Anzahlung.
Zentraler Streitpunkt war die Frage, ob die Klägerin trotz ihres Rücktritts vor der offiziellen Absage der Reise durch die Beklagte Anspruch auf Rückzahlung der Anzahlung hat. Es ging um die Auslegung von § 651h BGB, insbesondere um die Frage, ob die COVID-19-Pandemie einen "unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstand" darstellt und ob die Klägerin deshalb Stornierungsgebühren zahlen muss.
Der BGH hob das Urteil des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache zurück. Der BGH bestätigte zwar, dass die COVID-19-Pandemie grundsätzlich als "unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstand" im Sinne des § 651h Abs. 3 Satz 2 BGB zu werten ist. Entscheidend sei jedoch der Zeitpunkt des Rücktritts der Klägerin. Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist für die Beurteilung, ob ein solcher Umstand vorliegt, allein die Situation zum Zeitpunkt des Rücktritts maßgeblich. Das Berufungsgericht hatte dies nicht berücksichtigt und fälschlicherweise die spätere Absage der Reise durch die Beklagte als entscheidend angesehen. Der BGH betonte, dass geprüft werden muss, ob zum Zeitpunkt des Rücktritts der Klägerin bereits konkrete Umstände vorlagen, die eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise wahrscheinlich machten.
Das Urteil verdeutlicht, dass die Beurteilung der Rechtslage bei pandemiebedingten Reiserücktritten eine Einzelfallprüfung erfordert. Es kommt entscheidend auf den Zeitpunkt des Rücktritts und die zu diesem Zeitpunkt erkennbaren Umstände an. Reiseveranstalter können nicht pauschal auf Stornierungsgebühren bestehen, wenn die Reise später tatsächlich aufgrund der Pandemie abgesagt wird. Die Gerichte müssen prüfen, ob zum Zeitpunkt des Rücktritts bereits eine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise bestand.
Die Entscheidung des BGH bietet wichtige Klarstellungen für Reisende und Reiseveranstalter. Die Rückabwicklung von Reiseverträgen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie bleibt jedoch ein komplexes Thema, das im Einzelfall sorgfältig geprüft werden muss. Es ist zu erwarten, dass weitere Gerichtsentscheidungen zur Konkretisierung der Rechtslage beitragen werden.