Einleitung: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuellen Urteil vom 27.11.2024 (Az: 6 StR 210/24) die Rolle eines Angeklagten in einem Online-Betrugsfall neu bewertet und ihn als Mittäter statt als Gehilfe verurteilt. Die Entscheidung verdeutlicht die Kriterien für Mittäterschaft in komplexen Betrugsfällen, insbesondere im Kontext von Online-Dating-Betrug.
Hintergrund des Falls: Eine Gruppe von Personen täuschte über Online-Plattformen, insbesondere Dating-Portale, Liebesbeziehungen vor, um Opfer unter falschen Vorspiegelungen zu Geldzahlungen zu bewegen. Der Angeklagte spielte eine Schlüsselrolle bei der Verschleierung der Hintermänner und der Beutesicherung. Er rekrutierte Finanzagenten, die unter falschen Identitäten Konten eröffneten, und verwaltete die eingehenden Gelder. In zwölf Fällen überwiesen die Geschädigten insgesamt 116.511 Euro auf ein Konto, auf das der Angeklagte Zugriff hatte. Ein weiterer Betrugsversuch scheiterte.
Rechtliche Fragen: Kernfrage des Verfahrens war die Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe. Das Landgericht Coburg hatte den Angeklagten zunächst als Gehilfen verurteilt, da die genauen Strukturen der Tätergruppe und die Beteiligung des Angeklagten an der Bandenabrede unklar waren. Die Staatsanwaltschaft legte dagegen Revision ein.
Entscheidung und Begründung des BGH: Der BGH hob das Urteil des Landgerichts auf und verurteilte den Angeklagten als Mittäter. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass der Angeklagte weit mehr als nur untergeordnete Hilfstätigkeiten geleistet habe. Seine Beteiligung an der Vorbereitung und Abwicklung der Taten, die Verwaltung der Gelder und sein Eigeninteresse an der Tatbegehung sprächen für Mittäterschaft. Die Richter betonten, dass der Angeklagte maßgeblich Einfluss auf Durchführung und Ausgang der Taten hatte. Die Tatsache, dass sein Anteil an der Beute möglicherweise nur bei etwa zehn Prozent lag, ändere nichts an seiner zentralen Rolle im Tatgeschehen.
Auswirkungen: Das Urteil des BGH hat Bedeutung für die Beurteilung von Mittäterschaft in komplexen Betrugsfällen, insbesondere im Online-Bereich. Es verdeutlicht, dass auch Tatbeiträge abseits des Kerngeschehens, wie die Verschleierung von Geldflüssen und die Rekrutierung von Finanzagenten, als Mittäterschaft gewertet werden können, wenn sie integraler Bestandteil des Tatplans sind und der Täter ein hohes Eigeninteresse an der Tatbegehung hat.
Schlussfolgerung: Die Entscheidung des BGH stärkt die Strafverfolgung im Bereich des Online-Betrugs und unterstreicht die Bedeutung einer genauen Prüfung der Tatbeiträge aller Beteiligten. Die Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe bleibt jedoch ein komplexer Sachverhalt, der im Einzelfall sorgfältig geprüft werden muss.
Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.11.2024, Az: 6 StR 210/24 (abrufbar über die Website des Bundesgerichtshofs).