Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 07.01.2025 ein wichtiges Urteil (Az. III ZR 284/20) zur Haftung von Fahrzeugherstellern wegen der Verwendung von Kühlmittel-Solltemperatur-Regelungen in Dieselfahrzeugen gefällt. Das Urteil verdeutlicht die hohen Anforderungen an den Nachweis einer sittenwidrigen Schädigung im Sinne des § 826 BGB in solchen Fällen.
Der Kläger erwarb im September 2014 von der beklagten Fahrzeugherstellerin einen Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4MATIC mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651. Das Fahrzeug verfügte über eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung. Das Kraftfahrt-Bundesamt ordnete im Juni 2019 wegen dieser Regelung Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung an. Der Kläger verlangte daraufhin Schadensersatz und Rückabwicklung des Kaufvertrags, da er die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung als unzulässige Abschalteinrichtung ansah. Das Landgericht wies die Klage ab, das Berufungsgericht gab der Klage teilweise statt. Die Beklagte legte Revision ein.
Zentraler Streitpunkt war die Frage, ob die Verwendung der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung des Klägers durch die Beklagte gemäß § 826 BGB darstellt. Hierbei war insbesondere zu klären, ob die Regelung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 einzustufen ist und ob das Verhalten der Beklagten als besonders verwerflich zu qualifizieren ist.
Der BGH hob das Urteil des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache zurück. Das Berufungsgericht habe den Prozessstoff nicht umfassend gewürdigt und insbesondere relevantes Vorbringen der Beklagten zur Funktionsweise und zum Zweck der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung übergangen. Der BGH betonte, dass die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung allein nicht ausreiche, um eine sittenwidrige Schädigung zu begründen. Es müssten weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten des Herstellers als besonders verwerflich erscheinen lassen. Eine arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde sei im vorliegenden Fall nicht indiziert, da die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung nicht ausschließlich auf dem Prüfstand aktiv sei, sondern auch im realen Fahrbetrieb. Das Berufungsgericht habe sich nicht ausreichend mit dem Vortrag der Beklagten auseinandergesetzt, wonach die Regelung der Emissionsminderung nach dem Kaltstart diene und ihre Aktivierung physikalischen und technischen Grenzen unterliege. Auch die Annahme eines Schädigungsvorsatzes sei auf unzureichender Tatsachengrundlage erfolgt, da die Rechtslage zur Zulässigkeit der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs nicht eindeutig gewesen sei.
Das Urteil des BGH hat erhebliche Bedeutung für die Beurteilung der Haftung von Fahrzeugherstellern im Zusammenhang mit der Verwendung von Kühlmittel-Solltemperatur-Regelungen. Es stellt klar, dass eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich ist und die Anforderungen an den Nachweis einer sittenwidrigen Schädigung hoch sind. Das Urteil dürfte auch Auswirkungen auf laufende und zukünftige Verfahren in vergleichbaren Fällen haben.
Der BGH hat mit seinem Urteil die Messlatte für die Haftung von Fahrzeugherstellern wegen der Verwendung von Kühlmittel-Solltemperatur-Regelungen hochgelegt. Es bleibt abzuwarten, wie das Berufungsgericht nach der Zurückverweisung entscheiden wird und ob weitere Klärungen durch den BGH oder den EuGH erforderlich sein werden.
BGH, Urteil vom 07.01.2025 - III ZR 284/20 (aus der Entscheidungsdatenbank des Bundesministeriums der Justiz)