Ein kürzlich vom Bundesgerichtshof (BGH) gefälltes Urteil vom 16. Januar 2025 (Az. IX ZR 235/23) klärt wichtige Fragen zur Anwendbarkeit der Fluggastrechteverordnung bei Flugbuchungen mit Gutscheinen. Der Fall betrifft die Ansprüche eines Fluggastes auf Rückerstattung des Flugpreises nach mehrfacher Annullierung und wiederholter Gutscheinausstellung durch eine insolvente Fluggesellschaft.
Der Kläger buchte im Juli 2019 Flüge für sich und seine Ehefrau bei der beklagten Fluggesellschaft. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten im Dezember 2019 wurden die Flüge im April 2020 aufgrund von Reisebeschränkungen annulliert. Anstelle einer Rückerstattung erhielt der Kläger einen Gutschein. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens buchte der Kläger mehrfach neue Flüge unter Verwendung des Gutscheins, die jeweils erneut annulliert wurden und zu weiteren Gutscheinen führten. Schließlich verlangte der Kläger die Rückzahlung des ursprünglichen Flugpreises gerichtlich.
Zentrale Fragen des Verfahrens waren, ob die insolvenzrechtlichen Bestimmungen den Anspruch auf Rückerstattung ausschlossen und ob die Fluggastrechteverordnung aufgrund der Bezahlung mit Gutschein Anwendung fand. Insbesondere war zu klären, ob die Buchung mittels Gutschein als "kostenlos" oder zu einem "reduzierten Tarif" im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Fluggastrechte-VO anzusehen ist.
Der BGH entschied zugunsten des Klägers. Das Gericht stellte fest, dass die insolvenzrechtlichen Vorschriften keine Anwendung finden, da die streitgegenständliche Buchung und die Gutscheinausstellung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erfolgten. Entscheidend war die Feststellung des BGH, dass ein mit einem Gutschein bezahlter Flug nicht als "kostenlos" oder zu einem "reduzierten Tarif" im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Fluggastrechte-VO gilt, wenn der Gutschein – wie hier – aufgrund eines zuvor vollständig bezahlten Flugpreises ausgestellt wurde. Der Kläger hatte daher Anspruch auf Rückerstattung des Flugpreises gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. a Fluggastrechte-VO. Der BGH bestätigte auch die Aktivlegitimation des Klägers für die Ansprüche seiner Ehefrau, da von einer Abtretung oder zumindest einer Einziehungsermächtigung auszugehen sei.
Das Urteil stärkt die Rechte von Fluggästen, die Gutscheine aufgrund von Annullierungen erhalten haben. Es stellt klar, dass die Fluggastrechteverordnung auch in diesen Fällen Anwendung findet und Fluggäste einen Anspruch auf Rückerstattung des Flugpreises haben. Die Entscheidung dürfte erhebliche Auswirkungen auf die Praxis von Fluggesellschaften im Umgang mit Gutscheinen haben.
Das BGH-Urteil bietet Fluggästen mehr Klarheit und Rechtssicherheit im Umgang mit Fluggutscheinen. Es unterstreicht die Bedeutung der Fluggastrechteverordnung als Schutzinstrument für Verbraucher. Es bleibt abzuwarten, wie die Fluggesellschaften auf diese Entscheidung reagieren und ihre Gutscheinpraktiken anpassen werden.
Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. Januar 2025, Az. IX ZR 235/23 (veröffentlicht auf der Website des Bundesgerichtshofs)