Einleitung: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 20.12.2024 ein wichtiges Urteil zur erstmaligen Errichtung von Gemeinschaftseigentum in Fällen des sogenannten "steckengebliebenen Baus" gefällt. Die Entscheidung klärt Fragen zum Anspruch auf Errichtung, der Anwendbarkeit von § 22 WEG und den Grenzen dieses Anspruchs aufgrund von Treu und Glauben.
Sachverhalt: Das Verfahren betraf einen Fall, in dem der Bau eines Wohnungseigentumsgebäudes nicht fertiggestellt wurde. Ein Erwerber, der die Stellung eines (werdenden) Wohnungseigentümers erlangt hatte, verlangte von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die erstmalige Errichtung des Gemeinschaftseigentums. Der Rechtsstreit durchlief die Instanzen des Amtsgerichts Koblenz (Az: 133 C 1875/21 WEG) und des Landgerichts Koblenz (Az: 2 S 29/22 WEG) bevor er schließlich vor dem BGH landete (Az: V ZR 243/23).
Rechtliche Probleme: Der BGH hatte sich mit folgenden Rechtsfragen auseinanderzusetzen:
Entscheidung und Begründung: Der BGH entschied, dass grundsätzlich jeder Wohnungseigentümer die erstmalige Errichtung des Gemeinschaftseigentums verlangen kann. Bei einem "steckengebliebenen Bau" entsteht dieser Anspruch jedoch erst, wenn mindestens ein Erwerber die Stellung eines (werdenden) Wohnungseigentümers erlangt hat. Der BGH stellte weiter klar, dass § 22 WEG auf den Anspruch auf erstmalige Errichtung des Gemeinschaftseigentums nicht analog anwendbar ist. Der Anspruch wird jedoch durch den Grundsatz von Treu und Glauben begrenzt. Die erstmalige Errichtung kann den übrigen Wohnungseigentümern unzumutbar sein, was im Einzelfall vom Tatgericht zu prüfen ist.
Auswirkungen: Die Entscheidung des BGH liefert wichtige Klarstellungen für die Praxis bei "steckengebliebenen Bauvorhaben". Sie betont die Bedeutung einer umfassenden Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Die Unzumutbarkeit der erstmaligen Errichtung des Gemeinschaftseigentums muss im Rahmen einer Gesamtabwägung aller relevanten Umstände festgestellt werden.
Schlussfolgerung: Das Urteil des BGH schafft mehr Rechtssicherheit für Wohnungseigentümer und Bauträger bei "steckengebliebenen Bauvorhaben". Es verdeutlicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Abwägung der Interessen aller Beteiligten, um eine gerechte Lösung im Einzelfall zu finden. Zukünftige Rechtsprechung wird zeigen, wie die Gerichte die vom BGH aufgestellten Grundsätze in der Praxis anwenden werden.
Quellen: