Einleitung: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuellen Urteil vom 28. Januar 2025 (Az.: X ZR 85/22) entschieden, dass die Entschädigungspflicht eines Reisenden bei Rücktritt von einer Pauschalreise wegen der Corona-Pandemie von den Umständen zum Zeitpunkt des Rücktritts abhängt. Das Urteil verdeutlicht die Komplexität der Rechtslage bei pandemiebedingten Reisestornierungen und hat erhebliche Auswirkungen auf die Reisebranche und Reisende.
Der Kläger buchte im November 2019 eine Pauschalreise nach Mallorca für sich und drei Mitreisende. Die Reise sollte im März 2020 stattfinden. Aufgrund der sich ausbreitenden Corona-Pandemie trat der Kläger im März 2020 von der Reise zurück. Die Beklagte, der Reiseveranstalter, konnte die Reise aufgrund der Pandemie nicht durchführen und erstattete dem Kläger einen Teil des Reisepreises. Der Kläger verlangte die vollständige Rückerstattung.
Die zentrale Rechtsfrage war, ob der Kläger trotz seines Rücktritts vor der Absage der Reise durch den Veranstalter zur Zahlung einer Entschädigung nach § 651h Abs. 1 Satz 3 BGB verpflichtet ist. Der BGH hatte zu klären, ob die Corona-Pandemie einen "unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstand" im Sinne von § 651h Abs. 3 Satz 2 BGB darstellt und ob die Beurteilung der Lage zum Zeitpunkt des Rücktritts oder zum Zeitpunkt der Absage der Reise maßgeblich ist.
Der BGH hob das Urteil des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache zurück. Der BGH bestätigte, dass die Corona-Pandemie einen unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstand darstellt. Entscheidend sei jedoch die Situation zum Zeitpunkt des Rücktritts des Reisenden. Das Berufungsgericht habe fehlerhaft angenommen, dass allein die spätere Absage der Reise durch den Veranstalter eine Entschädigungspflicht des Reisenden ausschließe. Der BGH folgte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 29. Februar 2024 - C-584/22), wonach für die Beurteilung der Beeinträchtigung der Reise ausschließlich die Umstände zum Zeitpunkt des Rücktritts relevant sind.
Das Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf die Rechtsprechung zu pandemiebedingten Reisestornierungen. Es stärkt die Rechte der Reisenden und verdeutlicht, dass Reiseveranstalter nicht pauschal eine Entschädigung verlangen können, nur weil die Reise später abgesagt wurde. Die Beurteilung der Entschädigungspflicht erfordert eine individuelle Prüfung der Umstände zum Zeitpunkt des Rücktritts.
Das BGH-Urteil schafft Klarheit in einem wichtigen Bereich des Reiserechts. Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte die konkreten Umstände im Einzelfall beurteilen werden. Reisende sollten sich bei Rücktrittsentscheidungen aufgrund der Corona-Pandemie über die aktuelle Rechtslage informieren und die Umstände zum Zeitpunkt des Rücktritts sorgfältig dokumentieren.
Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. Januar 2025 (Az.: X ZR 85/22)