Ein kürzlich vom Bundesgerichtshof (BGH) gefälltes Urteil vom 28. Januar 2025 (Az. X ZR 57/22) klärt wichtige Fragen zur Entschädigungspflicht von Reisenden bei Rücktritt von einer Pauschalreise aufgrund der COVID-19-Pandemie. Der Fall betrifft die Rückforderung einer Anzahlung durch einen Reisenden, nachdem sowohl er selbst als auch der Reiseveranstalter die Reise aufgrund der Pandemie storniert hatten.
Der Kläger buchte eine Pauschalreise für sich und drei weitere Personen, die im September 2020 stattfinden sollte. Er leistete eine Anzahlung. Aufgrund der Corona-Pandemie trat der Kläger im Juli 2020 von der Reise zurück. Im September 2020 sagte der Reiseveranstalter die Reise ebenfalls ab. Der Kläger verlangte die Rückzahlung seiner Anzahlung, die der Reiseveranstalter verweigerte.
Kern der rechtlichen Auseinandersetzung war die Frage, ob der Kläger trotz seines Rücktritts vor der Reiseabsage durch den Reiseveranstalter Anspruch auf Rückzahlung der Anzahlung hat. Im Zentrum stand die Auslegung von § 651h Abs. 3 BGB in Verbindung mit der EU-Pauschalreiserichtlinie (EU) 2015/2302. Es ging um die Beurteilung der COVID-19-Pandemie als "unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstand" und die Frage, ob der Zeitpunkt des Rücktritts oder der späteren Absage für die Beurteilung der Entschädigungspflicht maßgeblich ist.
Der BGH hob das Urteil des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache zurück. Der BGH bestätigte zwar, dass die COVID-19-Pandemie grundsätzlich als "unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstand" im Sinne des § 651h Abs. 3 BGB zu werten ist. Entscheidend sei jedoch der Zeitpunkt des Rücktritts des Reisenden. Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sind für die Beurteilung der Entschädigungspflicht ausschließlich die Umstände zum Zeitpunkt des Rücktritts maßgeblich. Da das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hatte, ob zum Zeitpunkt des Rücktritts des Klägers bereits konkrete Umstände vorlagen, die eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise erwarten ließen, musste die Sache zurückverwiesen werden.
Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung des Rücktrittszeitpunkts für die Entschädigungspflicht bei pandemiebedingten Reiserücktritten. Es stärkt die Rechte der Reisenden und betont die Notwendigkeit einer individuellen Prüfung der Umstände zum Zeitpunkt des Rücktritts. Für Reiseveranstalter bedeutet das Urteil eine höhere Rechtssicherheit, da die spätere Absage der Reise nicht mehr automatisch zu einer Entschädigungsfreiheit führt.
Das BGH-Urteil liefert eine wichtige Klarstellung zur Rechtslage bei pandemiebedingten Reiserücktritten. Es bleibt abzuwarten, wie das Berufungsgericht die vom BGH geforderten Feststellungen treffen wird und welche Auswirkungen dies auf den konkreten Fall und zukünftige Entscheidungen haben wird. Die Rechtsprechung in diesem Bereich bleibt dynamisch und wird durch die fortschreitende Entwicklung der Pandemie und die dazugehörigen Reisebeschränkungen weiterhin geprägt sein.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. Januar 2025 - X ZR 57/22
EuGH, Urteil vom 8. Juni 2023 - C-407/21
EuGH, Urteil vom 29. Februar 2024 - C-584/22