Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 28. Januar 2025 ein wichtiges Urteil (Az. X ZR 29/22) zu Entschädigungsansprüchen bei pandemiebedingten Reiserücktritten gefällt. Die Entscheidung verdeutlicht die Anwendung von § 651h BGB im Kontext der COVID-19-Pandemie und präzisiert die Voraussetzungen für die Entschädigungsfreiheit von Reiseveranstaltern.
Die Klägerin buchte im September 2019 eine Pauschalreise für August 2020. Im März 2020 trat sie aufgrund der Corona-Pandemie vom Vertrag zurück. Im Juli 2020 sagte die Beklagte, der Reiseveranstalter, die Reise ebenfalls pandemiebedingt ab. Die Klägerin verlangte die Rückzahlung der Anzahlung, die Beklagte hingegen eine Entschädigungspauschale.
Kernfrage des Rechtsstreits war, ob die Beklagte trotz der pandemiebedingten Absage der Reise einen Anspruch auf eine Entschädigungspauschale gemäß § 651h Abs. 1 Satz 3 BGB hatte. Strittig war insbesondere, ob die COVID-19-Pandemie im Reisezeitraum einen unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstand im Sinne von § 651h Abs. 3 Satz 2 BGB darstellte und ob die Beurteilung der Beeinträchtigung der Reise zum Zeitpunkt des Rücktritts der Klägerin oder zum Zeitpunkt der Absage durch die Beklagte zu erfolgen hatte.
Der BGH hob das Urteil des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache zurück. Der BGH bestätigte zwar, dass die COVID-19-Pandemie einen unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstand im Sinne von § 651h Abs. 3 Satz 2 BGB darstellt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts dürfe die Beeinträchtigung der Reise jedoch nicht allein aufgrund der späteren Absage bejaht werden. Entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 29. Februar 2024 - C-584/22) sei für die Beurteilung der Beeinträchtigung der Reise allein der Zeitpunkt des Rücktritts maßgeblich. Das Berufungsgericht müsse daher prüfen, ob zum Zeitpunkt des Rücktritts der Klägerin konkrete Umstände vorlagen, die eine erhebliche Wahrscheinlichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise begründeten.
Das Urteil des BGH präzisiert die Rechtslage zu Entschädigungsansprüchen bei pandemiebedingten Reiserücktritten. Es stärkt die Rechte der Reisenden und verdeutlicht, dass die Beurteilung der Beeinträchtigung der Reise zum Zeitpunkt ihres Rücktritts zu erfolgen hat. Reiseveranstalter können sich nicht auf eine spätere Absage berufen, um einen Entschädigungsanspruch zu begründen, wenn zum Zeitpunkt des Rücktritts keine erhebliche Beeinträchtigung absehbar war.
Die Entscheidung des BGH bietet wichtige Klärung im Hinblick auf die Anwendung des § 651h BGB in Pandemiefällen. Die Rückverweisung an das Berufungsgericht ermöglicht eine detaillierte Prüfung der Umstände im konkreten Fall. Es bleibt abzuwarten, wie das Berufungsgericht die vom BGH vorgegebenen Kriterien anwenden wird.