Einleitung: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 28. Januar 2025 ein wichtiges Urteil (VIa ZR 72/22) zum Thema Schadensersatz bei unzulässigen Abschalteinrichtungen in Dieselfahrzeugen gefällt. Das Urteil verdeutlicht die Rechte von Käufern manipulierter Fahrzeuge und präzisiert die Haftung der Hersteller.
Hintergrund des Falls: Der Kläger erwarb im Jahr 2012 einen Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4Matic Blue Efficiency als Neufahrzeug vom Hersteller (Beklagten). Dieses Fahrzeug war von einem vom Kraftfahrt-Bundesamt angeordneten Rückruf aufgrund einer unzulässigen Abschalteinrichtung betroffen. Der Kläger verlangte daraufhin Schadensersatz, unter anderem die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung. Landgericht und Oberlandesgericht wiesen die Klage ab.
Rechtliche Fragen: Kern der rechtlichen Auseinandersetzung war die Frage, ob dem Kläger ein Anspruch auf Schadensersatz aus Delikt (§§ 826, 823 BGB) zusteht, insbesondere in Verbindung mit dem Schutzgesetzcharakter der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV (heute: §§ 46, 60 EG-FGV). Das Berufungsgericht verneinte einen solchen Anspruch.
Entscheidung und Begründung des BGH: Der BGH hob das Urteil des Berufungsgerichts teilweise auf und verwies die Sache zurück. Der BGH bestätigte seine frühere Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21), dass die genannten Bestimmungen der EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind und die Interessen des Käufers schützen. Dem Kläger könne daher ein Anspruch auf Ersatz des sogenannten "Differenzschadens" zustehen, also der Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis und dem Wert des Fahrzeugs mit der unzulässigen Abschalteinrichtung. Das Berufungsgericht habe dem Kläger keine Gelegenheit gegeben, diesen Schaden darzulegen und zu den Voraussetzungen einer deliktischen Haftung des Herstellers Feststellungen zu treffen.
Auswirkungen: Das Urteil stärkt die Position der Käufer von Fahrzeugen mit unzulässigen Abschalteinrichtungen. Es bestätigt, dass ihnen neben vertraglichen Ansprüchen auch deliktische Schadensersatzansprüche zustehen können. Die Käufer haben die Möglichkeit, den sogenannten "kleinen Schadensersatz", also den Differenzschaden, geltend zu machen.
Schlussfolgerung: Das BGH-Urteil präzisiert die Rechtslage im Zusammenhang mit unzulässigen Abschalteinrichtungen und bietet Käufern betroffener Fahrzeuge eine weitere Möglichkeit, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Es bleibt abzuwarten, wie das Berufungsgericht im weiteren Verfahren die Voraussetzungen und den Umfang der Haftung des Herstellers beurteilen wird.
Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. Januar 2025 - VIa ZR 72/22 (abrufbar über die Website des Bundesgerichtshofs oder juris)