Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem wegweisenden Urteil vom 23.12.2024 (Az. VIa ZR 598/23) die Haftung eines Fahrzeugherstellers für den Einsatz unzulässiger Abschalteinrichtungen bejaht. Die Entscheidung stärkt die Rechte von Verbrauchern, die Fahrzeuge mit manipulierten Abgaswerten erworben haben.
Der Kläger erwarb im Jahr 2015 ein gebrauchtes Wohnmobil, dessen Basisfahrzeug, ein Fiat Ducato, von der Beklagten hergestellt wurde. Der Kläger machte geltend, das Fahrzeug verfüge über unzulässige Abschalteinrichtungen ("Thermofenster" und "Timer-Funktion"), die den Stickoxidausstoß im realen Fahrbetrieb erhöhten. Er klagte auf Schadensersatz.
Zentrale Fragen des Rechtsstreits waren, ob der Einsatz der Abschalteinrichtungen sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB ist und ob ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den Vorschriften der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV) besteht. Weiterhin war zu klären, ob dem Hersteller ein Verschulden zur Last gelegt werden kann und welches Recht anwendbar ist.
Der BGH hob das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg auf und verwies die Sache zurück. Das Berufungsgericht hatte den Vortrag des Klägers zu einer prüfstandsbezogenen Funktionsweise des Thermofensters und der Timer-Funktion, gestützt auf ein Software-Gutachten, nicht ausreichend berücksichtigt. Der BGH stellte klar, dass eine verstärkte Aktivierung der Abgasreinigung ausschließlich im Prüfstand eine sittenwidrige arglistige Täuschung indiziert.
Weiterhin bestätigte der BGH seine Rechtsprechung zum Schutzgesetzcharakter der §§ 6, 27 EG-FGV. Ein Verschulden des Herstellers wird vermutet. Ein etwaiger Verbotsirrtum des Herstellers müsste unvermeidbar gewesen sein, was im vorliegenden Fall nicht festgestellt wurde. Die Untätigkeit der italienischen Typgenehmigungsbehörde entlastet den Hersteller nicht, solange dieser die Behörde nicht über alle relevanten Details der Abschalteinrichtungen informiert hat.
Der BGH stellte klar, dass deutsches Recht anwendbar ist und ein Anspruch auf "großen" Schadensersatz oder auf Ersatz des Differenzschadens bestehen kann. Die Höhe des Differenzschadens ist auf 15% des Kaufpreises begrenzt.
Das Urteil hat weitreichende Folgen für die Haftung von Fahrzeugherstellern im Zusammenhang mit Abschalteinrichtungen. Es verdeutlicht, dass eine detaillierte Prüfung des Sachverhalts, insbesondere unter Berücksichtigung von Software-Gutachten, erforderlich ist. Die Entscheidung stärkt die Position der Verbraucher und dürfte zu einer weiteren Zunahme von Klagen führen.
Die Entscheidung des BGH bekräftigt die strengen Anforderungen an die Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen. Fahrzeughersteller müssen sicherstellen, dass ihre Fahrzeuge den gesetzlichen Vorgaben entsprechen und keine manipulierten Abgaswerte aufweisen. Für Verbraucher bedeutet das Urteil eine Stärkung ihrer Rechte auf Schadensersatz.
BGH, Urteil vom 23.12.2024 - VIa ZR 598/23 (Quelle: Deutsches Recht online)