Einleitung: Ein kürzlich vom Bundesgerichtshof (BGH) gefälltes Urteil (VIa ZR 1167/22 vom 04.12.2024) bietet Klägern in Diesel-Abgasskandal-Fällen neue Möglichkeiten, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Das Urteil verdeutlicht, dass neben der Rückabwicklung des Kaufvertrags auch Schadenersatzansprüche aufgrund einer deliktischen Handlung in Betracht kommen, insbesondere in Form des sogenannten Differenzschadens.
Hintergrund des Falls: Der Kläger erwarb im November 2014 einen Mercedes-Benz C 220 CDI mit dem Dieselmotor OM 651 (Euro 5) von der Beklagten. Er klagte sowohl auf Grundlage kaufrechtlicher Gewährleistung als auch wegen deliktischer Schädigung durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung. Landgericht und Oberlandesgericht wiesen die Klage ab. Der BGH hob das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden teilweise auf und verwies die Sache zurück.
Rechtliche Fragen: Kernfrage des Verfahrens war, ob dem Kläger neben den kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüchen auch ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zusteht. Das Oberlandesgericht hatte eine solche Haftung verneint.
Entscheidung und Begründung: Der BGH stellte klar, dass die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB darstellen und auch das Interesse des Käufers schützen, keine Vermögenseinbuße durch den Erwerb eines Fahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung zu erleiden. Zwar bestätigte der BGH, dass ein Anspruch auf "großen Schadensersatz" (volle Kaufpreiserstattung) in diesen Fällen nicht besteht. Er eröffnete jedoch die Möglichkeit, einen sogenannten Differenzschaden geltend zu machen – also den finanziellen Nachteil, der dem Käufer durch den Erwerb eines manipulierten Fahrzeugs entstanden ist.
Auswirkungen: Das Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf die Rechtsprechung im Abgasskandal. Käufern, deren Klagen auf Rückabwicklung des Kaufvertrags erfolglos geblieben sind, bietet sich nun die Möglichkeit, den Differenzschaden geltend zu machen. Dies erfordert jedoch eine detaillierte Darlegung und Berechnung des entstandenen Schadens.
Schlussfolgerung: Das BGH-Urteil stärkt die Rechte der Käufer im Diesel-Abgasskandal. Die Möglichkeit, den Differenzschaden geltend zu machen, eröffnet neue Wege zur Entschädigung. Es bleibt abzuwarten, wie die Instanzgerichte die Vorgaben des BGH in der Praxis umsetzen werden. Betroffene sollten sich anwaltlich beraten lassen, um ihre Ansprüche effektiv durchzusetzen.
Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.12.2024 - VIa ZR 1167/22