BGH-Urteil: Freispruch wegen sexuellem Missbrauch aufgehoben
Einführung: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein Urteil des Landgerichts Tübingen aufgehoben, das einen Angeklagten vom Vorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern freigesprochen hatte. Der Fall verdeutlicht die hohen Anforderungen an die Beweiswürdigung in Fällen sexuellen Missbrauchs, insbesondere bei Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen.
Hintergrund des Falls: Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, die Tochter seines Lebensgefährten über einen Zeitraum von mehreren Jahren in 16 Fällen sexuell missbraucht zu haben. Das Landgericht Tübingen sprach den Angeklagten frei, da es sich aufgrund der widersprüchlichen Aussagen keine Überzeugung von seiner Schuld bilden konnte.
Rechtliche Probleme: Der BGH hob den Freispruch auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurück. Der BGH rügte, dass die schriftlichen Urteilsgründe den Anforderungen des § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO nicht genügten. Die Feststellungen des Landgerichts seien zu fragmentarisch, um eine Überprüfung der Beweiswürdigung zu ermöglichen. Insbesondere fehlten Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten und zum konkreten Verhalten der Beteiligten in den angeklagten Tatsituationen.
Entscheidung und Begründung: Der BGH kritisierte insbesondere die unzureichende Darstellung der Beweiswürdigung. Das Landgericht habe die Aussagen der Nebenklägerin nicht ausreichend gewürdigt und die maßgeblichen Teile der Zeugenaussagen nicht in geschlossener Form wiedergegeben. Dies sei jedoch in einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation unerlässlich, um dem Revisionsgericht eine sachlich-rechtliche Überprüfung zu ermöglichen. Der BGH betonte die gesteigerten Darstellungsanforderungen in solchen Fällen.
Auswirkungen: Die Entscheidung des BGH unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen und umfassenden Beweiswürdigung in Fällen sexuellen Missbrauchs. Tatgerichte müssen die Aussagen der Opfer detailliert analysieren und ihre Glaubwürdigkeit sorgfältig prüfen. Die Entscheidung verdeutlicht auch die Bedeutung einer lückenlosen Dokumentation der Beweisaufnahme im Urteil.
Schlussfolgerung: Der Fall wird nun vor einer anderen Jugendkammer des Landgerichts neu verhandelt werden. Es bleibt abzuwarten, ob das neue Verfahren zu einer anderen Bewertung der Beweislage führt. Die Entscheidung des BGH dient als wichtige Erinnerung an die hohen Anforderungen an die Beweiswürdigung in Fällen sexuellen Missbrauchs und die Notwendigkeit einer sorgfältigen Urteilsbegründung.
Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19. Februar 2025 - 1 StR 193/24