Einleitung: Ein aktueller Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 22. Januar 2025 (XII ZB 365/24) unterstreicht die Bedeutung der Verfahrensrechte von Betroffenen bei Unterbringungs- und Zwangsbehandlungsverfahren. Der BGH stellte fest, dass die Nichtübermittlung eines Sachverständigengutachtens und das Unterlassen einer persönlichen Anhörung durch das Beschwerdegericht eine Verletzung der Rechte des Betroffenen darstellen.
Der 35-jährige Betroffene, der an einer paranoiden Schizophrenie leidet, wurde auf Antrag seines Betreuers vom Amtsgericht Bielefeld bis zum 18. Oktober 2024 untergebracht und bis zum 30. August 2024 einer medikamentösen Zwangsbehandlung unterzogen. Das Amtsgericht stützte sich dabei auf ein psychiatrisches Sachverständigengutachten. Die Beschwerden des Betroffenen und seines Verfahrenspflegers gegen diese Entscheidungen wurden vom Landgericht Bielefeld zurückgewiesen.
Der BGH hatte zu prüfen, ob die Unterlassung der rechtzeitigen Übermittlung des Sachverständigengutachtens an den Betroffenen und der Verzicht auf eine persönliche Anhörung durch das Beschwerdegericht Verfahrensfehler darstellen und ob diese Fehler zu einer Rechtsverletzung des Betroffenen führten.
Der BGH hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und stellte fest, dass der Betroffene in seinen Rechten verletzt wurde. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Übermittlung des vollständigen Sachverständigengutachtens an den Betroffenen vor dem Anhörungstermin zwingend erforderlich ist, um ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. Die Aushändigung des Gutachtens erst im Anhörungstermin verletze das Recht des Betroffenen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
Weiterhin rügte der BGH, dass das Beschwerdegericht von einer Anhörung des Betroffenen abgesehen hatte. Obwohl § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dies grundsätzlich ermöglicht, sei dies nur zulässig, wenn die Anhörung in der ersten Instanz ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Da dies hier aufgrund der fehlenden Gutachtenübermittlung nicht der Fall war, hätte das Beschwerdegericht den Betroffenen anhören müssen.
Die Entscheidung des BGH bekräftigt die Bedeutung der Verfahrensrechte von Betroffenen in Unterbringungs- und Zwangsbehandlungsverfahren. Sie verdeutlicht, dass Gerichte den Betroffenen umfassend beteiligen und ihnen die Möglichkeit zur effektiven Verteidigung ihrer Rechte einräumen müssen. Die Nichtbeachtung dieser Verfahrensvorschriften kann zur Rechtswidrigkeit der getroffenen Maßnahmen führen.
Der Beschluss des BGH liefert eine wichtige Klarstellung zur Wahrung der Verfahrensrechte in Unterbringungs- und Zwangsbehandlungsfällen. Er unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung der Sachlage und der Gewährung rechtlichen Gehörs für die Betroffenen. Die Entscheidung dürfte dazu beitragen, die Rechte von Personen mit psychischen Erkrankungen in diesen sensiblen Verfahren zu stärken.
Quelle: Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 22. Januar 2025 - XII ZB 365/24 (abrufbar unter juris.bundesgerichtshof.de)