Einleitung: Ein kürzlich ergangenes Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 12. Februar 2025 (VIa ZR 772/22) hat die Rechte von Verbrauchern im Abgasskandal gestärkt. Der BGH bestätigte die Möglichkeit eines Differenzschadenersatzanspruchs nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV, wenn ein Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung enthält.
Der Kläger erwarb im Jahr 2017 einen gebrauchten VW Passat 2.0 TDI mit einem Dieselmotor des Typs EA 288 (Schadstoffklasse Euro 6). Er klagte gegen den Hersteller auf Schadensersatz, da das Fahrzeug ein sogenanntes "Thermofenster" enthielt, welches er als unzulässige Abschalteinrichtung ansah. Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht wiesen die Klage ab.
Kern der rechtlichen Auseinandersetzung war die Frage, ob das "Thermofenster" eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt und ob dem Kläger ein Schadensersatzanspruch zusteht. Das Berufungsgericht verneinte beides. Es sah keine sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB und lehnte einen Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ab, da der geltend gemachte Schaden nicht im Schutzbereich dieser Normen liege.
Der BGH hob das Urteil des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache zurück. Er bestätigte seine frühere Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21), wonach die §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind und das Interesse des Käufers schützen, keine Vermögenseinbuße durch den Kauf eines Fahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung zu erleiden. Der BGH stellte klar, dass zwar kein Anspruch auf "großen" Schadensersatz besteht (d.h. Rückabwicklung des Kaufvertrags), jedoch ein Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens (Wertminderung des Fahrzeugs durch die unzulässige Abschalteinrichtung) möglich ist.
Das Urteil stärkt die Rechte der Verbraucher im Abgasskandal. Es eröffnet die Möglichkeit, auch bei Fahrzeugen mit unzulässigen Abschalteinrichtungen Schadensersatz zu erlangen, wenn ein merkantiler Minderwert nachgewiesen werden kann. Das Urteil dürfte zu einer Vielzahl weiterer Klagen führen.
Der BGH hat mit diesem Urteil die Rechtsprechung im Abgasskandal weiter konkretisiert und die Verbraucherrechte gestärkt. Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte im Einzelfall die Voraussetzungen des Differenzschadensersatzanspruchs auslegen und welche Auswirkungen das Urteil auf die Automobilindustrie haben wird.
Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. Februar 2025 - VIa ZR 772/22 (abrufbar über die Entscheidungsdatenbank des Bundesgerichtshofs).