Einleitung: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 4. März 2025 (Az. VIa ZR 388/21) die Rechte von Verbrauchern im Abgasskandal weiter gestärkt. Das Urteil verdeutlicht, dass betroffene Fahrzeughalter unter Umständen Anspruch auf Differenzschadenersatz haben, selbst wenn ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags scheitert.
Der Kläger hatte im April 2014 einen gebrauchten Mercedes Benz ML 350 BlueTEC 4MATIC mit Dieselmotor der Baureihe OM 642 (Schadstoffklasse Euro 6) erworben. Er klagte gegen den Verkäufer auf Schadensersatz aufgrund des Vorhandenseins einer unzulässigen Abschalteinrichtung ("Thermofenster"). Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht wiesen die Klage ab.
Kernfrage des Verfahrens war, ob dem Kläger neben dem sogenannten "großen Schadensersatz" (Rückabwicklung des Kaufvertrags) auch ein Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens zusteht. Hierbei geht es um die Differenz zwischen dem Wert des Fahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung und dem Wert, den das Fahrzeug ohne die Manipulation gehabt hätte.
Weiterhin war zu klären, ob die Bestimmungen der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB anzusehen sind und somit einen deliktischen Schadensersatzanspruch begründen.
Der BGH hob das Urteil des Oberlandesgerichts auf und verwies die Sache zurück. Der Senat bestätigte seine frühere Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21), wonach die §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB darstellen und das Vermögen des Käufers schützen. Demnach kann ein Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens bestehen, wenn der Käufer durch den Kauf eines manipulierten Fahrzeugs einen finanziellen Nachteil erlitten hat.
Der BGH stellte klar, dass dem Kläger im wiedereröffneten Berufungsverfahren Gelegenheit gegeben werden muss, einen solchen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht muss dann prüfen, ob die Voraussetzungen für eine deliktische Haftung des Verkäufers wegen des Einbaus der unzulässigen Abschalteinrichtung vorliegen.
Das Urteil stärkt die Position der Verbraucher im Abgasskandal. Es eröffnet die Möglichkeit, auch dann Schadensersatz zu erhalten, wenn eine Rückabwicklung des Kaufvertrags nicht in Betracht kommt. Dies ist insbesondere für Käufer von Gebrauchtwagen relevant, bei denen die Voraussetzungen für den "großen Schadensersatz" oft nicht erfüllt sind.
Die Entscheidung des BGH unterstreicht die Bedeutung des Verbraucherschutzes im Abgasskandal. Betroffene Fahrzeughalter sollten ihre Ansprüche sorgfältig prüfen lassen und gegebenenfalls einen Anspruch auf Differenzschadenersatz geltend machen. Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte in den Folgeverfahren die Voraussetzungen und den Umfang des Differenzschadens konkret bestimmen werden.
Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.03.2025 - VIa ZR 388/21 (abrufbar über die Entscheidungsdatenbank des Bundesgerichtshofs)