Einleitung: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuellen Beschluss vom 29. Januar 2025 (Az. 4 StR 500/24) ein Urteil des Landgerichts Frankenthal aufgehoben, in dem der Angeklagte freigesprochen und in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war. Der Fall wirft wichtige Fragen zur Beurteilung der Schuldfähigkeit bei Personen mit paranoider Schizophrenie auf.
Dem Angeklagten wurden mehrere Straftaten vorgeworfen, darunter Diebstahl, Gefährdung des Straßenverkehrs, Sachbeschädigung und versuchter Diebstahl. Er leidet an paranoider Schizophrenie und hatte eigenmächtig seine Medikamente abgesetzt, was zu psychotischen Symptomen führte. Das Landgericht wertete die Taten als Diebstahl in zwei Fällen, davon einmal in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und einmal in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, sowie als Sachbeschädigung und versuchten Diebstahl. Es ging davon aus, dass bei allen Taten die Unrechtseinsicht des Angeklagten aufgrund seiner Erkrankung vollständig aufgehoben war.
Der BGH hob das Urteil des Landgerichts auf, da die Feststellungen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht ausreichend waren. Die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie allein reicht nicht aus, um eine generelle oder längerfristige Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit anzunehmen. Es muss ein konkreter Zusammenhang zwischen der Störung und der jeweiligen Tat dargelegt werden. Das Landgericht hatte jedoch nicht festgestellt, wie sich die Erkrankung konkret auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten bei den einzelnen Taten ausgewirkt hatte. Es fehlten insbesondere Feststellungen dazu, welche Halluzinationen und psychotischen Leiden aufgetreten sind und wie diese die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit beeinflusst haben.
Der BGH hob den Freispruch und die Unterbringungsanordnung auf und verwies die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück. Er betonte, dass für die Beurteilung der Schuldfähigkeit konkrete Feststellungen zum Einfluss der psychischen Störung auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der jeweiligen Tatsituation erforderlich sind. Die bloße Diagnose einer paranoiden Schizophrenie reicht hierfür nicht aus. Der BGH wies außerdem darauf hin, dass auch bei einer aufgehobenen Schuldfähigkeit die inneren Tatbestandsmerkmale nicht zwingend verneint werden müssen, wenn der Täter aufgrund seiner Erkrankung Tatsachen verkannt hat. In solchen Fällen ist für die subjektive Tatseite der natürliche Vorsatz ausreichend.
Die Entscheidung des BGH verdeutlicht die Anforderungen an die Feststellungen zur Schuldfähigkeit bei Personen mit psychischen Erkrankungen. Sie unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung des konkreten Zusammenhangs zwischen der Erkrankung und der Tat. Das Urteil hat Auswirkungen auf die Praxis der Strafgerichte bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit und der Anwendung von § 20 StGB.
Der Fall zeigt die Komplexität der Beurteilung der Schuldfähigkeit bei psychischen Erkrankungen. Es bleibt abzuwarten, wie das neue Tatgericht die Schuldfähigkeit des Angeklagten beurteilen wird. Die Entscheidung des BGH liefert wichtige Hinweise für die zukünftige Rechtsprechung in diesem Bereich.
Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29. Januar 2025 (Az. 4 StR 500/24)