Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Beschluss vom 1. Oktober 2024 (Az. 6 StR 394/24) das Urteil des Landgerichts Bayreuth zur Unterbringung eines Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Der Fall wirft wichtige Fragen zur Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen auf.
Das Landgericht Bayreuth hatte den Angeklagten wegen Schuldunfähigkeit von mehreren Tatvorwürfen, darunter exhibitionistische Handlungen, Leistungserschleichung, Hausfriedensbruch und Diebstahl, freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Dem Angeklagten, der an einer chronifizierten paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie leidet, wurde eine krankheitsbedingte Aufhebung der Steuerungsfähigkeit bei den exhibitionistischen Handlungen attestiert. Das Landgericht begründete die angeordnete Unterbringung mit der Gefährlichkeit des Angeklagten für die Allgemeinheit, gestützt auf frühere Vorfälle, insbesondere Übergriffe gegenüber seinem Bruder und sein Verhalten in der Justizvollzugsanstalt.
Der BGH sah die Begründung der Gefährlichkeitsprognose durch das Landgericht als rechtlich nicht ausreichend an. Zentraler Punkt der Kritik war die unzureichende Begründung der Annahme, der Angeklagte zeige „in Konfliktsituationen aufgrund seines psychotischen Zustandes eine Affinität zu Messern“. Insbesondere fehlte es an einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Übergriffe gegenüber dem Bruder tatsächlich im Zusammenhang mit der Erkrankung des Angeklagten standen und somit Symptomcharakter hatten. Darüber hinaus rügte der BGH, dass das Landgericht nicht berücksichtigt hatte, dass der Angeklagte trotz langjähriger Erkrankung bisher nicht wegen krankheitsbedingter Gewaltdelikte aufgefallen war.
Der BGH hob das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück. Die Begründung des Landgerichts zur Gefährlichkeitsprognose hielt den Anforderungen des § 63 StGB nicht stand. Die Feststellungen zu den Übergriffen gegenüber dem Bruder beruhten im Wesentlichen auf Zeugenaussagen vom Hörensagen, ohne dass die Glaubwürdigkeit dieser Angaben ausreichend geprüft und ein Zusammenhang mit der Erkrankung des Angeklagten belegt wurde. Die fehlende Auseinandersetzung mit dem bisherigen Fehlen krankheitsbedingter Gewaltdelikte stellte einen weiteren Mangel dar.
Die Entscheidung des BGH unterstreicht die hohen Anforderungen an die Begründung der Gefährlichkeitsprognose bei der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB. Sie verdeutlicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung des Zusammenhangs zwischen der psychischen Erkrankung und den Taten, die der Prognose zugrunde gelegt werden. Insbesondere bei der Bewertung von Vorfällen im familiären Kontext ist eine differenzierte Betrachtung erforderlich, um eine ungerechtfertigte Unterbringung zu vermeiden.
Der Fall verdeutlicht die Komplexität der Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose bei psychisch erkrankten Straftätern. Die Entscheidung des BGH betont die Bedeutung einer sorgfältigen Beweiswürdigung und einer umfassenden Berücksichtigung aller relevanten Umstände, um die Rechte des Betroffenen zu wahren und gleichzeitig die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Es bleibt abzuwarten, wie das Landgericht im erneuten Verfahren die Gefährlichkeit des Angeklagten beurteilen wird.
BGH, Beschluss vom 01.10.2024 – 6 StR 394/24