Einführung: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 22. Oktober 2024 in einem Beschluss (Az. 4 StR 309/24) eine wichtige Entscheidung zur Tateinheit bei Kinderpornografiedelikten getroffen. Der Fall betrifft die konkurrenzrechtliche Bewertung des Besitzes kinderpornografischer Inhalte im Verhältnis zu deren Herstellung und Verbreitung. Die Entscheidung klärt die Frage, wann der Besitz von kinderpornografischem Material als eigenständige Tat und wann als Teil einer einheitlichen Tat mit anderen Delikten wie Herstellung oder Verbreitung zu werten ist.
Sachverhalt: Bei dem Angeklagten wurden im Juli 2021 und März 2022 Datenträger und ein Mobiltelefon mit einer großen Menge an kinderpornografischen Bild- und Videodateien sichergestellt. Der Angeklagte hatte unter anderem eine jugendpornografische Videoaufnahme hergestellt, kinderpornografische Bilder angefertigt und im Darknet verbreitet sowie kinderpornografische Inhalte über einen Messengerdienst an andere Personen versandt.
Rechtliche Probleme: Das Landgericht hatte den Besitz sämtlicher kinderpornografischer Dateien als selbstständige Tat gewertet, die zu den anderen Delikten in Tatmehrheit stand. Der BGH musste die Frage klären, ob diese Bewertung der Tatkonkurrenz zutreffend ist.
Entscheidung und Begründung: Der BGH hat die Entscheidung des Landgerichts teilweise aufgehoben und den Schuldspruch geändert. Der BGH stellte fest, dass der Besitz kinderpornografischer Inhalte zwar grundsätzlich hinter den Delikten der Herstellung und Verbreitung zurücktritt. Geht der Besitz jedoch zeitlich und quantitativ über das für die Herstellung oder Verbreitung erforderliche Maß hinaus, liegt Tateinheit vor. Im vorliegenden Fall war der Angeklagte wegen Besitzes kinderpornografischer Inhalte in Tateinheit mit den jeweiligen Herstellungs- und Verbreitungsdelikten schuldig. Die Verurteilung wegen Besitzes als eigenständige Tat entfiel.
Der BGH stellte klar, dass der zeitgleiche Besitz von weiterem kinderpornografischem Material über die für das Zugänglichmachen erforderlichen Dateien hinaus zu einer Tateinheit von Besitz und Verbreitung führt. Gleiches gilt für den Besitz von selbst hergestelltem Material nach dem Herstellungsakt. Hingegen verklammert der Besitz nicht mehrere selbstständige Herstellungs- oder Verbreitungsdelikte.
Auswirkungen: Die Entscheidung des BGH hat Auswirkungen auf die Strafzumessung in Fällen von Kinderpornografie. Durch die Klarstellung der Tateinheit von Besitz, Herstellung und Verbreitung wird eine Doppelbestrafung vermieden und die Strafzumessung an den tatsächlichen Unrechtsgehalt angepasst. Die Entscheidung trägt zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung bei.
Schlussfolgerung: Der BGH hat mit dieser Entscheidung die Rechtsprechung zur Tateinheit bei Kinderpornografiedelikten präzisiert. Die Entscheidung verdeutlicht die Bedeutung einer differenzierten Betrachtung der Tatkonkurrenz, um eine gerechte und dem Unrechtsgehalt angemessene Bestrafung zu gewährleisten. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Rechtsprechung in zukünftigen Fällen auswirken wird.
Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22. Oktober 2024, Az. 4 StR 309/24