Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuellen Beschluss vom 6. November 2024 (Az. 6 StR 423/24) ein Urteil des Landgerichts Halle (Saale) zur Strafzumessung bei sexuellem Übergriff teilweise aufgehoben und die Sache zur Neuverhandlung zurückverwiesen. Der Fall beleuchtet die Anwendung des § 177 Abs. 9 StGB, der die Möglichkeit eines minder schweren Falls bei sexuellen Übergriffen vorsieht.
Das Landgericht Halle hatte den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses sowie wegen sexuellen Übergriffs in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses, verurteilt. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte Revision ein.
Der BGH rügte, dass das Landgericht bei der Strafzumessung in zwei Fällen nicht ausreichend geprüft hatte, ob ein minder schwerer Fall gemäß § 177 Abs. 9 StGB vorliegt. Obwohl das Landgericht strafmildernde Umstände wie die geringe Intensität der Tathandlung, den erheblichen Zeitablauf und die bisherige Unbestraftheit des Angeklagten festgestellt hatte, unterließ es die explizite Prüfung der Anwendbarkeit des § 177 Abs. 9 StGB. Darüber hinaus beanstandete der BGH den Adhäsionsausspruch, da das Landgericht nicht über alle Anträge der Adhäsionsklägerin entschieden hatte.
Der BGH hob die vom Landgericht verhängten Einzelstrafen und die Gesamtstrafe auf und verwies die Sache zur Neuverhandlung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück. Die Feststellungen des Landgerichts konnten jedoch bestehen bleiben, da sie vom Rechtsfehler nicht betroffen waren. Der BGH begründete seine Entscheidung damit, dass nicht auszuschließen sei, dass das Landgericht bei korrekter Anwendung des § 177 Abs. 9 StGB mildere Strafen verhängt hätte. Der Adhäsionsausspruch wurde vom BGH entsprechend ergänzt.
Die Entscheidung des BGH unterstreicht die Bedeutung der sorgfältigen Prüfung aller relevanten Strafzumessungsvorschriften, insbesondere der Möglichkeit eines minder schweren Falls gemäß § 177 Abs. 9 StGB, bei sexuellen Übergriffen. Die Entscheidung verdeutlicht auch die Notwendigkeit einer vollständigen Entscheidung über alle gestellten Adhäsionsanträge.
Der Beschluss des BGH dient als wichtige Erinnerung an die Sorgfaltspflichten der Gerichte bei der Strafzumessung in Fällen sexueller Übergriffe und trägt zur rechtsstaatlichen Gewährleistung einer angemessenen und gerechten Strafbemessung bei. Es bleibt abzuwarten, wie die neu zuständige Strafkammer des Landgerichts Halle den Fall im Lichte der BGH-Entscheidung beurteilen wird.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.11.2024 - 6 StR 423/24 (Quelle: Deutsches Rechtssystem - Rechtsprechung)