BGH-Entscheidung zur Schuldfähigkeit bei Vergewaltigung
Einführung: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuellen Beschluss vom 26. Februar 2025 (Az. 5 StR 733/24) ein Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 12. Juli 2024 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer zurückverwiesen. Der Fall betrifft eine Verurteilung wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung, bei der die Schuldfähigkeit des Angeklagten im Mittelpunkt stand.
Sachverhalt
Der Angeklagte wurde vom Landgericht wegen Vergewaltigung einer 84-jährigen Frau verurteilt. Er hatte sich unter einem Vorwand Zutritt zur Wohnung der Geschädigten verschafft und sie dort sexuell missbraucht und körperlich verletzt. Das Landgericht sah die Schuldfähigkeit des Angeklagten als nicht erheblich beeinträchtigt an.
Rechtliche Probleme
Der BGH hob das Urteil des Landgerichts auf, da die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten rechtsfehlerhaft war. Das Landgericht hatte sich in seiner Begründung weitgehend auf die Ausführungen der Sachverständigen gestützt, ohne die Rechtsfrage der erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit selbstständig und ausreichend zu prüfen. Insbesondere wurde die Möglichkeit einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer schweren anderen seelischen Abartigkeit (§ 21 StGB) nicht ausreichend geprüft. Der BGH rügte, dass das Landgericht die Ausführungen der Sachverständigen lediglich referiert, aber nicht kritisch gewürdigt habe. Weiterhin beanstandete der BGH, dass das Landgericht nicht ausreichend berücksichtigt habe, dass der Angeklagte den Tatentschluss möglicherweise erst nach dem Betreten der Wohnung gefasst hatte. Auch der Umstand, dass die Fähigkeit, Anreize und Hemmungen gegeneinander abzuwägen, trotz eines geplanten Vorgehens erheblich eingeschränkt sein kann, wurde vom Landgericht nicht ausreichend berücksichtigt.
Entscheidung und Begründung des BGH
Der BGH hob das Urteil des Landgerichts – mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen – auf und verwies die Sache zur Neuverhandlung an eine andere Strafkammer des Landgerichts. Der BGH betonte, dass die Frage der erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit vom Tatgericht selbstständig und unter Berücksichtigung normativer Gesichtspunkte zu beantworten ist. Das neue Tatgericht muss die Schuldfähigkeit des Angeklagten erneut prüfen und dabei insbesondere die vom BGH aufgezeigten Aspekte berücksichtigen.
Auswirkungen
Die Entscheidung des BGH verdeutlicht die Bedeutung einer sorgfältigen Prüfung der Schuldfähigkeit in Strafverfahren, insbesondere bei schwerwiegenden Delikten wie Vergewaltigung. Sie unterstreicht die eigenständige Verantwortung des Tatgerichts bei der Beurteilung dieser Frage und die Notwendigkeit einer kritischen Auseinandersetzung mit den Ausführungen von Sachverständigen. Die Entscheidung kann dazu beitragen, die Rechtsprechung zur Schuldfähigkeit bei schweren anderen seelischen Abartigkeiten weiter zu präzisieren.
Schlussfolgerung
Der BGH hat mit seiner Entscheidung die Bedeutung der eigenständigen richterlichen Prüfung der Schuldfähigkeit bekräftigt. Es bleibt abzuwarten, wie das neue Tatgericht die Schuldfähigkeit des Angeklagten beurteilen wird. Die Entscheidung des BGH hat potenziell weitreichende Auswirkungen auf die Rechtsprechung zur Schuldfähigkeit und kann zu einer verstärkten Berücksichtigung der normativen Gesichtspunkte bei der Beurteilung von schweren anderen seelischen Abartigkeiten führen.
Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26. Februar 2025 (Az. 5 StR 733/24)