Einleitung: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuellen Beschluss vom 8. Januar 2025 (Az. 6 StR 597/24) die Bedeutung der motivationalen Steuerungsfähigkeit bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit unter Einfluss von Rauschmitteln bekräftigt. Die Entscheidung hebt hervor, dass nicht allein das koordinierte und situationsadäquate Verhalten eines Täters ausschlaggebend ist, sondern auch dessen Fähigkeit, Hemmungsvorstellungen und Handlungsanreize gegeneinander abzuwägen.
Der Angeklagte wurde vom Landgericht Frankfurt (Oder) wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch verurteilt. Er hatte unter dem Einfluss von Cannabis, Kokain und Diazepam ein Ehepaar in deren Haus bedroht und deren Fahrzeug entwendet. Das Landgericht ging trotz der Mischintoxikation von uneingeschränkter Schuldfähigkeit aus, da der Angeklagte ein "koordiniertes und komplexes Leistungsbild" gezeigt habe.
Der BGH stellte die Frage nach der korrekten Beurteilung der Schuldfähigkeit unter Rauschmitteleinfluss in den Mittelpunkt. Insbesondere ging es darum, ob das Landgericht die Bedeutung der motivationalen Steuerungsfähigkeit ausreichend berücksichtigt hatte.
Der BGH hob den Strafausspruch des Landgerichts auf und verwies die Sache zurück. Das Landgericht habe zwar das koordinierte Vorgehen des Angeklagten gewürdigt, jedoch nicht ausreichend geprüft, ob dessen Fähigkeit zur Abwägung von Hemmungsvorstellungen und Handlungsanreizen beeinträchtigt war. Der BGH betonte, dass Steuerungsfähigkeit nicht mit zweckrationalem Verhalten gleichzusetzen sei. Auch bei geplantem Vorgehen könne die Fähigkeit zur normgerechten Handlungskontrolle erheblich eingeschränkt sein.
Der BGH wies auf Auffälligkeiten im Verhalten des Angeklagten hin, die auf eine mögliche Beeinträchtigung der motivationalen Steuerungsfähigkeit hindeuteten, wie z.B. das Klingeln an der Haustür mitten in der Nacht und das Vortäuschen eines Vorwands. Diese Aspekte hätten einer eingehenderen Prüfung bedurft, insbesondere unter Hinzuziehung eines Sachverständigen.
Die Entscheidung des BGH unterstreicht die Bedeutung einer differenzierten Betrachtung der Schuldfähigkeit bei Rauschmittelkonsum. Sie verdeutlicht, dass nicht allein das äußere Erscheinungsbild des Handelns, sondern die innere Fähigkeit zur normgerechten Steuerung des Verhaltens entscheidend ist. Die Entscheidung dürfte die Praxis der Strafgerichte bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit in vergleichbaren Fällen beeinflussen.
Der BGH liefert mit diesem Beschluss eine wichtige Klarstellung zur Beurteilung der Schuldfähigkeit bei Mischintoxikation. Die Entscheidung betont die Notwendigkeit einer umfassenden Prüfung der motivationalen Steuerungsfähigkeit, die über die bloße Feststellung eines koordinierten Handlungsablaufs hinausgeht. In künftigen Fällen wird die Hinzuziehung eines Sachverständigen in solchen Fällen wohl häufiger erforderlich sein.
Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.01.2025 - 6 StR 597/24 (abrufbar über die Website des Bundesgerichtshofs oder juristische Datenbanken)