Einleitung: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Beschluss vom 7. Januar 2025 (Az. 6 StR 583/24) ein Urteil des Landgerichts Coburg aufgehoben, in dem der Angeklagte wegen versuchten Totschlags und weiterer Delikte verurteilt worden war. Der BGH rügte Mängel bei der Schuldfähigkeitsprüfung, die eine Neuverhandlung erforderlich machen.
Der Angeklagte brach seinen Einsatz als Erntehelfer ab und verhielt sich auf der Rückreise in einem Kleinbus auffällig. Er äußerte Ängste und war davon überzeugt, verfolgt zu werden. Im Fahrzeug griff er eine Mitfahrerin mit einem Messer an und verletzte sie schwer. Anschließend verletzte er auch den Fahrer. Später im Rettungswagen griff der Angeklagte Rettungssanitäter und einen Polizeibeamten an und beschädigte dabei ein Mobiltelefon und medizinisches Gerät.
Kernpunkt der Entscheidung des BGH war die Frage nach der Schuldfähigkeit des Angeklagten. Das Landgericht hatte die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten als erheblich vermindert, aber nicht als aufgehoben angesehen. Der BGH kritisierte diese Einschätzung als unzureichend begründet.
Der BGH hob das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Sache zur Neuverhandlung an eine andere Strafkammer zurück. Die Begründung des BGH konzentrierte sich auf die fehlerhafte Schuldfähigkeitsprüfung des Landgerichts. Der BGH bemängelte, dass das Landgericht die Prüfung der Schuldfähigkeit zu eng auf das Vorliegen wahnhafter Wahrnehmungen beschränkt hatte. Angesichts der festgestellten psychischen Störung (akute polymorphe psychotische Störung) hätte das Landgericht umfassender prüfen müssen, ob diese Störung die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten so beeinträchtigt hatte, dass seine Steuerungsfähigkeit aufgehoben war. Insbesondere kritisierte der BGH, dass das Landgericht dem Angeklagten "vorwarf", nicht adäquat gehandelt zu haben, obwohl ihm Handlungsalternativen bekannt gewesen seien, ohne diese jedoch zu benennen. Auch die ruhige Ankündigung der Tötung und das spätere folgsame Verhalten gegenüber dem Polizeibeamten wurden vom BGH als unzureichende Indizien für eine erhaltene Steuerungsfähigkeit gewertet.
Die Entscheidung des BGH verdeutlicht die Anforderungen an die Schuldfähigkeitsprüfung bei psychischen Störungen. Tatgerichte müssen umfassend prüfen, wie sich die Störung auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten ausgewirkt hat, und dürfen sich nicht auf einzelne Aspekte beschränken.
Der Fall verdeutlicht die Komplexität der Schuldfähigkeitsbeurteilung im Strafrecht. Die Neuverhandlung wird zeigen, ob das neue Tatgericht unter Berücksichtigung der Vorgaben des BGH zu einer anderen Bewertung der Schuldfähigkeit des Angeklagten gelangt.
Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.01.2025 - 6 StR 583/24