Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuellen Beschluss vom 19. November 2024 (Az. 5 StR 557/24) entschieden, dass bei der Strafzumessung in Deutschland auch frühere Verurteilungen in anderen EU-Mitgliedstaaten zu berücksichtigen sind. Dieser Beschluss verdeutlicht die zunehmende Bedeutung der europäischen Harmonisierung im Strafrecht und die Notwendigkeit eines Härteausgleichs, wenn eine Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB aufgrund einer ausländischen Vorverurteilung nicht möglich ist.
Das Landgericht Hamburg hatte den Angeklagten wegen einer im Januar 2021 begangenen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Der Angeklagte hatte jedoch bereits zuvor in Spanien eine Freiheitsstrafe von vier Jahren wegen versuchter Vergewaltigung erhalten. Diese Strafe war zum Zeitpunkt der Verurteilung in Deutschland noch nicht vollständig verbüßt.
Die zentrale Frage war, ob das Landgericht bei der Strafzumessung die spanische Vorverurteilung ausreichend berücksichtigt hatte. Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass frühere Verurteilungen in anderen Mitgliedstaaten in gleichem Maße berücksichtigt werden wie inländische Vorverurteilungen. Da eine Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB bei einer ausländischen Vorverurteilung nicht möglich ist, muss ein Härteausgleich erfolgen.
Der BGH hob den Strafausspruch des Landgerichts auf und verwies die Sache zurück. Die Richter stellten fest, dass das Landgericht den notwendigen Härteausgleich im Hinblick auf die spanische Vorverurteilung nicht vorgenommen hatte. Dies stelle einen Wertungsfehler dar. Der BGH betonte, dass bei der Strafzumessung die durch die zusätzliche Vollstreckung von Strafen aus anderen EU-Mitgliedstaaten drohenden Härten zu berücksichtigen sind, insbesondere wenn – wie im vorliegenden Fall – die zeitlichen Voraussetzungen für eine Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB erfüllt wären.
Die Entscheidung des BGH bekräftigt die Bedeutung der EuGH-Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Vorverurteilungen aus anderen EU-Mitgliedstaaten. Sie unterstreicht die Notwendigkeit eines Härteausgleichs in solchen Fällen, um eine gerechte und harmonisierte Strafzumessung innerhalb der EU zu gewährleisten. Die Entscheidung dürfte Auswirkungen auf die Praxis der Strafgerichte haben und zu einer verstärkten Berücksichtigung ausländischer Vorverurteilungen führen.
Der Beschluss des BGH liefert eine wichtige Klarstellung zur Strafzumessung bei Vorliegen von Verurteilungen aus anderen EU-Mitgliedstaaten. Die Berücksichtigung des Härteausgleichs ist essentiell, um die durch das Fehlen einer Gesamtstrafenbildungsmöglichkeit entstehenden Nachteile auszugleichen und eine gerechte Sanktionierung zu gewährleisten. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Rechtsprechung in der Praxis weiterentwickeln wird.