BGH hebt Urteil zu versuchter schwerer Körperverletzung auf

BGH-Beschluss zur versuchten schweren Körperverletzung

BGH-Beschluss zur versuchten schweren Körperverletzung

Einleitung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Beschluss vom 18. Juli 2024 (Az. 4 StR 377/23) das Urteil des Landgerichts Bochum vom 28. April 2023 (Az: II-8 KLs 28/22) aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Der Fall betrifft eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter schwerer Körperverletzung und Führen einer Schusswaffe. Der BGH hob das Urteil aufgrund von Mängeln in der Beweiswürdigung bezüglich des Vorstellungsbildes des Angeklagten nach der Tat auf.

Sachverhalt

Der Angeklagte traf sich mit dem Nebenkläger auf einem Tankstellengelände. Dabei führte er einen schussbereiten Revolver mit sich. Nach einem kurzen Wortwechsel schoss der Angeklagte dem Nebenkläger in den Oberschenkel. Das Landgericht stellte fest, dass der Angeklagte die Möglichkeit billigend in Kauf nahm, dass der Nebenkläger durch den Schuss sein Bein verlieren oder dauerhaft nicht mehr gebrauchen könnte. Nach der Schussabgabe blieben Angeklagter und Nebenkläger noch kurz stehen und sahen sich an, bevor der Angeklagte das Tankstellengelände verließ und den Notruf wählte, ohne jedoch ausreichende Angaben zu machen. Der Nebenkläger erlitt eine Durchschussverletzung, die operativ versorgt werden musste und bis heute zu einer Beeinträchtigung der Belastbarkeit seines Beines führt.

Rechtliche Probleme

Das Landgericht wertete die Tat als gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter schwerer Körperverletzung und Führen einer Schusswaffe. Es lehnte einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch der schweren Körperverletzung ab, da sich der Angeklagte nach Ansicht des Gerichts keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns für den Nebenkläger gemacht und sich nicht um die Verhinderung der Vollendung bemüht habe, obwohl der Versuch nicht fehlgeschlagen war.

Entscheidung und Begründung des BGH

Der BGH hob die Verurteilung wegen versuchter schwerer Körperverletzung auf. Die Beweiswürdigung des Landgerichts zur Feststellung eines beendeten Versuchs sei lückenhaft. Der BGH führte aus, dass die gedankliche Indifferenz des Täters gegenüber den Folgen seines Handelns eine innere Tatsache ist, die positiv festgestellt werden muss. Dies erfordere eine umfassende Würdigung aller objektiven Umstände. Das Landgericht habe sich auf die Einlassung des Angeklagten gestützt, wonach er sich keine Vorstellungen über die Folgen gemacht habe. Diese Einlassung war jedoch Teil einer umfassenderen Einlassung, deren wesentliche Teile das Landgericht als Schutzbehauptung verworfen hatte. Daher hätte es einer besonderen Begründung bedurft, warum die Aussage zu den fehlenden Vorstellungen glaubhaft sei. Weiterhin habe sich das Landgericht nicht ausreichend mit den Feststellungen auseinandergesetzt, wonach sich Angeklagter und Nebenkläger nach der Tat noch angesehen und der Angeklagte dem Nebenkläger etwas zugerufen habe.

Auswirkungen

Die Entscheidung des BGH verdeutlicht die hohen Anforderungen an die Beweiswürdigung bei der Feststellung eines beendeten Versuchs. Die innere Tatsache der Gleichgültigkeit gegenüber den Folgen der Tat muss durch objektive Umstände belegt werden. Insbesondere bei sich widersprechenden Einlassungen des Angeklagten ist eine sorgfältige und begründete Auseinandersetzung mit den einzelnen Teilen der Einlassung erforderlich.

Schlussfolgerung

Der Fall wird nun an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Der neue Tatrichter muss die Beweiswürdigung, insbesondere zum Vorstellungsbild des Angeklagten nach der Tat, erneut durchführen und dabei die Vorgaben des BGH berücksichtigen. Es bleibt abzuwarten, wie das Landgericht die Tat nach erneuter Beweisaufnahme bewerten wird.

Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18. Juli 2024 (Az. 4 StR 377/23)

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