Einleitung: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuellen Beschluss vom 1. Oktober 2024 (Az. 1 StR 299/24) die Grenzen des strafrechtlichen Schutzes des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen nach § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB präzisiert. Der Fall betrifft heimliche Videoaufnahmen eines Mannes von seiner Ex-Partnerin in deren Wohnung.
Hintergrund des Falls: Der Angeklagte hatte nach der Trennung von seiner Partnerin heimlich Videoaufnahmen von ihr in ihrer Wohnung angefertigt. Dazu benutzte er einen "Selfie-Stick" mit befestigtem Mobiltelefon, den er durch das Fenster in das Wohnzimmer der Geschädigten führte. Die Aufnahmen zeigten die Frau in bekleidetem Zustand beim Fernsehen oder Schlafen.
Rechtliche Fragen: Kernfrage des Verfahrens war, ob die heimlichen Videoaufnahmen eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs der Geschädigten gemäß § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB darstellen. Der BGH hatte zu klären, ob die Aufnahmen in den höchstpersönlichen Lebensbereich eingriffen oder lediglich die Privatsphäre betrafen.
Entscheidung und Begründung: Der BGH hob die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen der heimlichen Videoaufnahmen auf und sprach ihn insoweit frei. Der Senat begründete seine Entscheidung damit, dass die Aufnahmen zwar heimlich und unbefugt in der Wohnung der Ex-Partnerin entstanden, jedoch keine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs darstellten. Der BGH argumentierte, dass alltägliche Handlungen wie Fernsehen oder Schlafen in bekleidetem Zustand "neutrale" Verhaltensweisen seien, die nicht den Schutzbereich des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB berührten. Dieser Schutzbereich sei eng an den Begriff der "Intimsphäre" angelehnt und umfasse sensible Bereiche wie Krankheit, Tod und Sexualität, nicht aber neutrale Alltagssituationen.
Auswirkungen: Der Beschluss des BGH verdeutlicht die Grenzen des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB und präzisiert den Begriff des "höchstpersönlichen Lebensbereichs". Er macht deutlich, dass nicht jede heimliche Bildaufnahme in der Wohnung automatisch eine Straftat darstellt. Entscheidend ist, ob die Aufnahme einen Einblick in die Intimsphäre gewährt oder lediglich neutrale Verhaltensweisen dokumentiert.
Schlussfolgerung: Der BGH-Beschluss liefert wichtige Klarstellungen zum Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen. Er unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Abgrenzung zwischen der Privatsphäre und der Intimsphäre im Kontext des § 201a StGB. Zukünftige Entscheidungen werden zeigen, wie diese Abgrenzung im Einzelfall vorgenommen wird und welche Kriterien für die Beurteilung von "neutralen" Verhaltensweisen relevant sind.
Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.10.2024 - 1 StR 299/24