Einleitung: Ein aktueller Beschluss des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 21.08.2024 (Az. 3 StR 119/24) klärt die Reichweite des § 55 Abs. 2 StGB im Zusammenhang mit einem Freispruch und einer gleichzeitig angeordneten Maßregel. Der Fall betrifft die Frage, ob eine zuvor angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für gegenstandslos erklärt werden kann, wenn im späteren Verfahren ein Freispruch erfolgt und eine andere Maßregel angeordnet wird.
Sachverhalt: Das Landgericht Koblenz sprach den Angeklagten vom Vorwurf des Totschlags frei, ordnete aber seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Gleichzeitig erklärte es die zuvor vom Amtsgericht Montabaur angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für gegenstandslos. Der Angeklagte hatte nach einer Auseinandersetzung seinen Freund getötet. Das Landgericht stellte eine erheblich verminderte, möglicherweise sogar vollständig aufgehobene Schuldfähigkeit fest.
Rechtliche Probleme: Kernfrage des Verfahrens war, ob das Landgericht die Unterbringung in der Entziehungsanstalt zu Recht für gegenstandslos erklärt hatte. Hierbei ging es um die Anwendbarkeit des § 55 Abs. 2 StGB, der die Behandlung von Nebenstrafen und Maßnahmen bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung regelt. Da der Angeklagte freigesprochen wurde, kam eine Gesamtstrafenbildung nach § 55 Abs. 1 StGB nicht in Betracht.
Entscheidung und Begründung: Der BGH hob die Gegenstandslosigkeitserklärung auf. Er stellte fest, dass § 55 Abs. 2 StGB weder direkt noch analog anwendbar ist, wenn kein Schuldspruch, sondern ein Freispruch ergeht. Eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung setze eine Verurteilung voraus. Da diese fehlte, bleibe die frühere Entscheidung des Amtsgerichts über die Unterbringung in der Entziehungsanstalt rechtskräftig. Der BGH betonte, dass der Gesetzgeber in § 67f StGB eine spezielle Regelung für den Fall mehrfacher Anordnungen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt getroffen habe. Diese sei aber nicht analog auf andere Maßregeln anwendbar.
Implikationen: Die Entscheidung verdeutlicht die Grenzen des § 55 Abs. 2 StGB und stärkt die Rechtskraft früherer Entscheidungen über Maßnahmen. Sie betont die Bedeutung des Vollstreckungsrechts für die Klärung von Konkurrenzfragen bei mehrfach angeordneten Maßnahmen. Im konkreten Fall muss nun die Strafvollstreckungskammer entscheiden, welche der angeordneten Maßnahmen vollzogen wird.
Schlussfolgerung: Der BGH-Beschluss bietet Klarheit über die Reichweite des § 55 Abs. 2 StGB und unterstreicht die Bedeutung des Vollstreckungsrechts bei Konkurrenzfragen von Maßnahmen. Die Entscheidung hat praktische Relevanz für die Beurteilung ähnlicher Fälle und trägt zur Rechtssicherheit bei.
Quellen: