Einführung: Ein aktueller Beschluss des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 25. Februar 2025 (Az. 5 StR 719/24) befasst sich mit der Zulässigkeit der nachträglichen Ergänzung eines abgekürzten Urteils nach erfolgter, aber dem Gericht zunächst unbekannter Revisionseinlegung. Der Fall verdeutlicht die Herausforderungen im Kontext der elektronischen Aktenführung und des elektronischen Rechtsverkehrs.
Sachverhalt: Das Landgericht Kiel verurteilte den Angeklagten wegen mehrfacher Brandstiftung und versuchter Brandstiftung. Der Angeklagte legte Revision ein, die elektronisch an das Landgericht übermittelt, jedoch aufgrund einer Fehlbedienung durch einen Geschäftsstellenbeamten nicht abgerufen und den zuständigen Richtern nicht vorgelegt wurde. In Unkenntnis der Revisionseinlegung fertigte das Landgericht ein abgekürztes Urteil an. Erst nach Zustellung des Urteils an den Verteidiger und dessen Rückfrage wurde der Fehler entdeckt. Daraufhin ergänzte das Landgericht das Urteil und stellte die vollständige Fassung zu.
Rechtliche Probleme: Zentral war die Frage, ob das Landgericht berechtigt war, das Urteil nachträglich zu ergänzen, obwohl die Revision bereits eingelegt war. Der BGH hatte sich mit dieser Problematik im Kontext elektronischer Aktenführung bereits mehrfach auseinandergesetzt.
Entscheidung und Begründung: Der BGH verwarf die Revision des Angeklagten als unbegründet. Er bestätigte die Zulässigkeit der Urteilsergänzung in entsprechender Anwendung von § 267 Abs. 4 Satz 4 StPO. Der BGH argumentierte, dass eine planwidrige Gesetzeslücke vorliege, da der Gesetzgeber die Folgen einer unbekannten Revisionseinlegung im Kontext elektronischer Kommunikation nicht ausdrücklich geregelt habe. Eine entsprechende Anwendung von § 267 Abs. 4 Satz 4 StPO sei gerechtfertigt, um eine Aufhebung des Urteils allein aufgrund fehlender Feststellungen zu vermeiden, wenn das Gericht die Revisionseinlegung unverschuldet nicht kannte. Voraussetzung sei jedoch, dass das Gericht weder Kenntnis von der Revisionseinlegung hatte noch nach den Umständen hätte haben müssen. Im vorliegenden Fall treffe die Richter kein Verschulden, da ihnen die Revisionseinlegung nicht vorgelegt worden war.
Implikationen: Der Beschluss bekräftigt die bestehende Rechtsprechung des BGH zur nachträglichen Urteilsergänzung bei unbekannter Revisionseinlegung. Er verdeutlicht die Notwendigkeit sorgfältiger Abläufe im elektronischen Rechtsverkehr, um solche Fehler zu vermeiden. Gleichzeitig bietet er den Gerichten Rechtssicherheit im Umgang mit dieser Problematik.
Schlussfolgerung: Der BGH-Beschluss stellt klar, dass die nachträgliche Ergänzung eines abgekürzten Urteils zulässig ist, wenn die Revisionseinlegung dem Gericht unverschuldet unbekannt geblieben ist. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung funktionierender Prozesse im elektronischen Rechtsverkehr und trägt zur Prozessökonomie bei, indem sie eine Aufhebung von Urteilen in solchen Fällen vermeidet. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber zukünftig eine ausdrückliche Regelung für derartige Fälle im Kontext der elektronischen Aktenführung schaffen wird.
Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25. Februar 2025 – 5 StR 719/24