Ein aktueller Beschluss des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 7. Januar 2025 (Az. 2 StR 350/24) befasst sich mit der Frage der nachträglichen Gesamtstrafenbildung unter Berücksichtigung der Amnestieregelung des Art. 316p EGStGB in Verbindung mit Art. 313 Abs. 1 Satz 1 EGStGB. Der Fall verdeutlicht die Auswirkungen der Gesetzesänderung auf bereits verhängte Strafen wegen Cannabisbesitzes.
Das Landgericht Köln hatte den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. In diese Strafe wurden auch drei Einzelgeldstrafen aus einem vorherigen Urteil des Amtsgerichts Köln einbezogen, darunter zwei wegen Cannabisbesitzes. Nach der Verurteilung durch das Landgericht trat Art. 316p EGStGB in Kraft, der einen Straferlass für bestimmte Cannabisdelikte vorsieht.
Die zentrale Frage war, ob die nach dem neuen Recht erlassenen Geldstrafen wegen Cannabisbesitzes weiterhin in die Gesamtstrafe einbezogen werden dürfen. Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB dürfen erlassene Strafen nicht in eine nachträgliche Gesamtstrafe einbezogen werden. Der Straferlass nach Art. 316p EGStGB tritt kraft Gesetzes ein.
Der BGH entschied, die Revision des Angeklagten zu verwerfen. Obwohl die beiden Geldstrafen wegen Cannabisbesitzes aufgrund der Gesetzesänderung erlassen wurden, sah der BGH keinen Anlass, den Gesamtstrafenausspruch aufzuheben. Der Senat argumentierte, dass das Landgericht auch ohne die Einbeziehung der beiden erlassenen Geldstrafen voraussichtlich keine niedrigere Gesamtstrafe verhängt hätte. Die verbleibenden Einzelstrafen waren so schwerwiegend, dass die erlassenen Geldstrafen keinen Einfluss auf das Gesamtstrafmaß hatten.
Der BGH entschied außerdem, dass die erlassenen Geldstrafen weiterhin in der Urteilsformel aufgeführt werden müssen, um die vollständige Berücksichtigung aller ursprünglichen Einzelstrafen zu dokumentieren. Dies dient der Transparenz und der Rechtssicherheit.
Der Beschluss verdeutlicht die praktische Anwendung von Art. 316p EGStGB in der Gesamtstrafenbildung. Er zeigt, dass erlassene Strafen zwar nicht mehr materiell in die Gesamtstrafe einfließen, aber dennoch in der Urteilsformel erwähnt werden müssen. Der Fall unterstreicht die Bedeutung der Berücksichtigung nachträglicher Gesetzesänderungen im Strafverfahren.
Der BGH-Beschluss bietet Klarheit zur Handhabung erlassener Strafen in der nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach Art. 316p EGStGB. Die Entscheidung trägt zur Rechtssicherheit bei und verdeutlicht die Auswirkungen der Gesetzesänderung auf die Strafzumessungspraxis.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.01.2025 - 2 StR 350/24