Ein aktueller Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 27. November 2024 (XII ZB 164/24) befasst sich mit der Verhältnismäßigkeit freiheitsentziehender Maßnahmen gegen Kinder und Jugendliche. Der Fall beleuchtet die Grenzen der Unterbringung in geschlossenen Abteilungen psychiatrischer Krankenhäuser und die Voraussetzungen für eine Unterbringung zur Begutachtung.
Der Fall betrifft einen Minderjährigen, bei dem Anzeichen einer psychischen Störung vorlagen. Das Ausgangsgericht hatte die Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses angeordnet. Das Oberlandesgericht Oldenburg bestätigte diese Entscheidung. Dagegen richtete sich die Beschwerde zum BGH.
Der BGH hatte zu klären, ob die geschlossene Unterbringung des Minderjährigen in einer psychiatrischen Klinik verhältnismäßig war, insbesondere im Hinblick auf den Schwerpunkt pädagogischer Defizite. Weiterhin war die Frage der Zulässigkeit einer Unterbringung zur Begutachtung zu prüfen.
Der BGH hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf. Die Richter stellten fest, dass die geschlossene Unterbringung unverhältnismäßig sei, wenn im Schwerpunkt pädagogische Defizite bestünden, die eine Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung rechtfertigen würden. Dies gelte auch dann, wenn regional keine geeigneten Jugendhilfeeinrichtungen verfügbar seien. Der BGH bestätigte damit seine frühere Rechtsprechung (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2012 - XII ZB 661/11).
Bezüglich der Unterbringung zur Begutachtung entschied der BGH, dass diese unter den Voraussetzungen des § 284 FamFG zulässig sei, wenn das erforderliche Sachverständigengutachten eine stationäre diagnostische Abklärung erfordert.
Der Beschluss des BGH bekräftigt den Vorrang von Jugendhilfemaßnahmen gegenüber freiheitsentziehenden Maßnahmen in der Psychiatrie, wenn bei Minderjährigen pädagogische Defizite im Vordergrund stehen. Er verdeutlicht die Notwendigkeit, geeignete Jugendhilfeeinrichtungen bereitzustellen. Gleichzeitig präzisiert der Beschluss die Voraussetzungen für eine Unterbringung zur Begutachtung.
Die Entscheidung des BGH unterstreicht die Bedeutung des Kindeswohls und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei freiheitsentziehenden Maßnahmen gegenüber Minderjährigen. Die zukünftige Entwicklung der Rechtsprechung und die Umsetzung der Vorgaben des BGH in der Praxis bleiben abzuwarten.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27. November 2024 - XII ZB 164/24 (Quelle: Deutsches Rechtssystem, Entscheidungsdatenbank)