Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 4. November 2024 einen Beschluss (2 StR 441/24) in einem Fall von Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gefasst. Der Beschluss verdeutlicht die rechtlichen Feinheiten im Umgang mit Cannabis-Stecklingen und die Auswirkungen auf den Schuldspruch sowie die Anrechnung von Haftzeiten.
Das Landgericht Aachen hatte den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Cannabis in zehn Fällen verurteilt. Ein Fall betraf den Erwerb und Weiterverkauf von 200 Cannabisstecklingen. Das Landgericht wertete dies als Handeltreiben mit Cannabis. Die Verurteilung umfasste eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten, die Aufrechterhaltung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie die Anrechnung von in den Niederlanden verbüßter Auslieferungshaft.
Die Revision des Angeklagten vor dem BGH rügte die Verletzung materiellen Rechts. Zentraler Punkt war die rechtliche Einordnung von Cannabisstecklingen als Betäubungsmittel im Sinne des § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG. Weiterhin war die Anrechnung der Auslieferungshaft auf die Strafe strittig.
Der BGH stellte das Verfahren hinsichtlich des Verkaufs der Cannabisstecklinge ein. Begründet wurde dies damit, dass Stecklinge im Gegensatz zu eingepflanzten Setzlingen nicht unter den Cannabisbegriff des Betäubungsmittelgesetzes fallen. Da die Feststellungen des Landgerichts keine eindeutige Aussage darüber enthielten, ob es sich um eingepflanzte Setzlinge handelte, wurde das Verfahren in diesem Punkt eingestellt. Der BGH änderte den Schuldspruch entsprechend. Die Gesamtfreiheitsstrafe blieb jedoch unberührt, da der BGH davon ausging, dass die Strafkammer auch ohne die Einzelstrafe für den Verkauf der Stecklinge zu derselben Gesamtfreiheitsstrafe gelangt wäre. Hinsichtlich der Anrechnung der Auslieferungshaft hob der BGH die Entscheidung des Landgerichts auf. Die Anrechnung von Haftzeiten ist eine von der Festsetzung der Gesamtfreiheitsstrafe unabhängige Entscheidung und wird durch die Auflösung einer früheren Gesamtstrafe nicht berührt.
Der Beschluss verdeutlicht die Bedeutung der genauen Unterscheidung zwischen Cannabisstecklingen und -setzlingen im Betäubungsmittelstrafrecht. Er zeigt auch die rechtliche Eigenständigkeit der Entscheidung über die Anrechnung von Haftzeiten im Verhältnis zur Gesamtstrafenbildung.
Der BGH hat mit seinem Beschluss die rechtlichen Grundlagen im Umgang mit Cannabispräparaten präzisiert und die Unabhängigkeit der Anrechnungsentscheidung bekräftigt. Die Entscheidung hat Auswirkungen auf zukünftige Fälle mit ähnlicher Sachlage.
BGH, Beschluss vom 04.11.2024 - 2 StR 441/24
Gesetze im Internet: www.gesetze-im-internet.de