Ein kürzlich ergangener Beschluss des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 17.12.2024 (Az. 1 StR 62/24) beleuchtet die Anwendung des neuen Konsumcannabisgesetzes (KCanG) auf anhängige Strafverfahren. Der Fall betrifft die Verurteilung eines Angeklagten wegen Beihilfe zur Einfuhr und zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, die vor Inkrafttreten des KCanG begangen wurden.
Das Landgericht Stuttgart hatte den Angeklagten wegen Beihilfe zur Einfuhr und zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in mehreren Fällen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und die Einziehung von Taterträgen angeordnet. Die Taten bezogen sich auf Cannabis und wurden vor dem 01.04.2024, dem Inkrafttreten des KCanG, begangen.
Die zentrale Frage in diesem Fall ist, welches Gesetz – das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) oder das KCanG – im Rahmen des Rückwirkungsverbots (§ 2 Abs. 3 StGB) anzuwenden ist. Der BGH musste klären, ob die neue Rechtslage im KCanG für den Angeklagten milder ist als die zum Tatzeitpunkt geltende Rechtslage im BtMG. Dies hängt von der konkreten Auslegung der jeweiligen Tatbestände und Strafrahmen ab, insbesondere unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer bandenmäßigen Tatbegehung.
Der BGH hob das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Sache zur Neuverhandlung zurück. Der Senat konnte im Revisionsverfahren nicht abschließend klären, welches Gesetz milder ist. Die Feststellungen zum Tatgeschehen, zur Schuldfähigkeit und zum Erwerb von Taterträgen (mit einer Ausnahme) wurden jedoch aufrechterhalten.
Der BGH führte aus, dass bei Taten im Zusammenhang mit Cannabis nach Inkrafttreten des KCanG § 34 KCanG anzuwenden ist, wenn dieser im Vergleich zum BtMG das mildere Gesetz darstellt. Die Beurteilung des milderen Rechts obliegt grundsätzlich dem Tatgericht. Im vorliegenden Fall war unklar, ob die Taten als Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben zu qualifizieren sind. Die Feststellungen des Landgerichts ließen ein bandenmäßiges Handeln zwar nahe, schlossen aber eine abweichende Bewertung durch das neue Tatgericht nicht aus. Je nach Qualifizierung der Taten als bandenmäßig oder nicht, ergeben sich unterschiedliche Strafrahmen sowohl nach dem BtMG als auch nach dem KCanG. Die Frage, welches Gesetz im konkreten Fall milder ist, muss daher das Tatgericht unter Berücksichtigung aller Umstände neu bewerten.
Der Beschluss verdeutlicht die Herausforderungen bei der Anwendung des KCanG auf Fälle, die vor seinem Inkrafttreten begangen wurden. Die Gerichte müssen im Einzelfall sorgfältig prüfen, welches Gesetz die mildere Strafe vorsieht. Die Entscheidung des BGH betont die Bedeutung der Feststellungen zum bandenmäßigen Handeln für die Beurteilung der Strafbarkeit und der Strafzumessung.
Der BGH-Beschluss liefert wichtige Hinweise zur Anwendung des KCanG in der Übergangsphase. Die Rückverweisung an das Landgericht zeigt, dass die Beurteilung der jeweiligen Rechtslage im Einzelfall komplex sein kann und eine genaue Prüfung der Tatumstände erfordert. Es bleibt abzuwarten, wie das Landgericht die Sache im Lichte der Ausführungen des BGH neu bewerten wird.
BGH, Beschluss vom 17.12.2024 – 1 StR 62/24