Ein kürzlich ergangener Beschluss des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 23. Oktober 2024 (Az. 2 StR 145/24) verdeutlicht die Auswirkungen des neuen Cannabisgesetzes auf laufende Strafverfahren und befasst sich mit der Frage der Verwertbarkeit getilgter Vorstrafen. Der BGH hob das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 20. Dezember 2023 (Az: 1 KLs 9/23) teilweise auf und verwies die Sache zur Neuverhandlung zurück.
Das Landgericht Darmstadt hatte den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Haschisch, Marihuana, Kokain) in nicht geringer Menge in acht Fällen und wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Der Angeklagte hatte Drogen von unbekannten Lieferanten bezogen und sowohl an Zwischenhändler als auch an Endabnehmer verkauft. Er nutzte ein Kryptohandy und ein als Bunkerfahrzeug dienendes Fahrzeug zur Lagerung und zum Verkauf der Drogen.
Der BGH hatte im vorliegenden Fall insbesondere zu prüfen, inwieweit das am 1. April 2024 in Kraft getretene Cannabisgesetz auf das bereits vom Landgericht entschiedene Verfahren anzuwenden ist. Weiterhin stellte sich die Frage nach der Zulässigkeit der strafschärfenden Berücksichtigung einer möglichen Vorstrafe des Angeklagten sowie die Rechtmäßigkeit der Einziehungsentscheidungen.
Der BGH hob das Urteil des Landgerichts Darmstadt teilweise auf. In Bezug auf die Cannabis-Delikte stellte der BGH fest, dass das neue Cannabisgesetz rückwirkend anzuwenden ist (§ 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO). Der Schuldspruch wurde entsprechend angepasst. Die Verurteilungen wegen Handeltreibens mit Kokain blieben unberührt. Der BGH korrigierte zudem das Konkurrenzverhältnis zwischen zwei Taten des Angeklagten und hob einen Teil der Verurteilung auf. Der Rechtsfolgenausspruch wurde insgesamt aufgehoben, da der BGH nicht ausschließen konnte, dass das Landgericht bei Anwendung des Cannabisgesetzes mildere Strafen verhängt hätte. Die strafschärfende Berücksichtigung eines früheren Gefängnisaufenthalts des Angeklagten beanstandete der BGH, da dieser möglicherweise auf einer getilgten Vorstrafe beruhte und daher nicht verwertet werden durfte. Schließlich hob der BGH auch die Einziehungsentscheidungen auf, da das Landgericht den Verzicht des Angeklagten auf bestimmte Gegenstände nicht berücksichtigt hatte und die Voraussetzungen für die erweiterte Einziehung der Rolex-Uhr nicht vorlagen.
Der Beschluss verdeutlicht die unmittelbaren Auswirkungen des Cannabisgesetzes auf laufende Strafverfahren. Er unterstreicht die Bedeutung des Rückwirkungsgebots bei günstigeren Strafgesetzen und die Notwendigkeit der sorgfältigen Prüfung von Vorstrafen im Hinblick auf etwaige Verwertungsverbote. Darüber hinaus präzisiert der Beschluss die Anforderungen an die Einziehungsentscheidungen.
Der BGH-Beschluss liefert wichtige Hinweise zur Anwendung des neuen Cannabisgesetzes und zur Beachtung von Verwertungsverboten. Die Entscheidung stärkt die Rechte der Angeklagten und betont die Notwendigkeit einer sorgfältigen und gesetzeskonformen Strafzumessung. Für die Praxis ist die Entscheidung richtungsweisend und dürfte zu einer Anpassung der Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen führen.
BGH, Beschluss vom 23.10.2024 - 2 StR 145/24