Einleitung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 21. November 2024 (Az. 2 StR 503/24) ein Urteil des Landgerichts Gießen zur gefährlichen Körperverletzung aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Der Fall betrifft eine Auseinandersetzung zwischen zwei Bewohnern einer Flüchtlingsunterkunft, bei der der Angeklagte ein Messer einsetzte. Der BGH stellte fest, dass das Landgericht die Anforderungen an die Notwehrprüfung verfehlt hat.
Hintergrund des Falls
Der Angeklagte und ein Mitbewohner, mit dem er ein Zimmer teilte, gerieten am 27. September 2023 nach Alkoholkonsum in Streit. Der Mitbewohner schlug den Angeklagten zweimal ins Gesicht. Daraufhin ergriff der Angeklagte ein Klappmesser und fügte dem Mitbewohner Schnittverletzungen an Brustkorb, Hals und Hand zu. Das Landgericht Gießen verurteilte den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung, da es die Notwehr verneinte.
Rechtliche Probleme
Kernpunkt des Verfahrens war die Frage, ob der Messereinsatz des Angeklagten durch Notwehr gerechtfertigt war. Das Landgericht argumentierte, der Angeklagte hätte das Messer nicht ohne vorherige Ankündigung einsetzen dürfen und mildere Abwehrmittel wählen müssen. Der BGH stellte jedoch klar, dass der sofortige Einsatz eines Messers in Notwehrsituationen gerechtfertigt sein kann, wenn mildere Mittel keine ausreichende Erfolgsaussicht bieten.
Entscheidung und Begründung des BGH
Der BGH hob das Urteil des Landgerichts auf, da dieses die Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung fehlerhaft beurteilt hatte. Der BGH rügte, dass das Landgericht frühere Streitigkeiten zwischen den Beteiligten berücksichtigt hatte, was für die Notwehrprüfung irrelevant sei. Weiterhin kritisierte der BGH, dass das Landgericht nicht ausreichend geprüft hatte, ob eine Androhung des Messereinsatzes in der konkreten Situation erfolgversprechend gewesen wäre und ob dem Angeklagten die Wahl eines milderen Mittels zumutbar war.
Auswirkungen
Die Entscheidung des BGH verdeutlicht die Anforderungen an die Notwehrprüfung, insbesondere bei der Verwendung gefährlicher Werkzeuge. Sie unterstreicht, dass die Beurteilung der Erforderlichkeit einer Verteidigungshandlung stets auf der Grundlage der konkreten Tatumstände erfolgen muss und überhöhte Anforderungen an den Angegriffenen zu vermeiden sind.
Schlussfolgerung
Der BGH hat mit seinem Beschluss die Bedeutung einer sorgfältigen Prüfung der Notwehrvoraussetzungen hervorgehoben. Der Fall wird nun vor einer anderen Strafkammer neu verhandelt werden. Der neue Tatrichter wird die vom BGH dargelegten Grundsätze berücksichtigen müssen. Es bleibt abzuwarten, wie das Gericht die Notwehrfrage im weiteren Verfahren beurteilen wird.
Quellen: