Einführung: Ein aktueller Beschluss des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 12. November 2024 (1 StR 306/24) verdeutlicht die Anwendung des neuen Cannabisgesetzes (KCanG) auf Fälle, die vor dessen Inkrafttreten am 1. April 2024 verhandelt wurden.
Sachverhalt: Das Landgericht Ingolstadt verurteilte den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in mehreren Fällen zu einer Freiheitsstrafe. Der Angeklagte hatte zwischen Juli und Dezember 2020 viermal Marihuana in unterschiedlichen Mengen und Wirkstoffgehalten verkauft.
Rechtliche Probleme: Durch das Inkrafttreten des KCanG am 1. April 2024 stellte sich die Frage, ob und wie das neue Gesetz auf den vorliegenden Fall anzuwenden ist, obwohl die Taten vor dessen Inkrafttreten begangen wurden.
Entscheidung und Begründung: Der BGH änderte den Schuldspruch des Landgerichts ab und verurteilte den Angeklagten in allen vier Fällen wegen Handeltreibens mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG. Die Überschreitung der nicht geringen Menge gemäß § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG wurde nicht im Schuldspruch berücksichtigt, da es sich hierbei um eine Strafzumessungsregel handelt. Der BGH begründete die Anwendung des neuen Gesetzes mit § 2 Abs. 3 StGB. Da sich der Angeklagte nicht wirksamer hätte verteidigen können, stand § 265 Abs. 1 StPO der Schuldspruchänderung nicht entgegen. Der Strafausspruch blieb trotz der Änderung des Schuldspruchs bestehen, da der BGH ausschloss, dass das Landgericht bei direkter Anwendung des KCanG geringere Strafen verhängt hätte. Das Landgericht hatte die veränderte Gefährlichkeitsbeurteilung von Cannabis durch den Gesetzgeber bereits berücksichtigt. Im Fall mit einem Wirkstoffgehalt unterhalb der nicht geringen Menge orientierte sich die verhängte Strafe nicht an der vorherigen Obergrenze, sodass auch hier keine Strafminderung erfolgte.
Auswirkungen: Der Beschluss verdeutlicht, wie Gerichte das neue Cannabisgesetz auf Fälle anwenden, die vor dessen Inkrafttreten verhandelt wurden. Die Entscheidung zeigt die Bedeutung von § 2 Abs. 3 StGB und die Berücksichtigung der veränderten Gefährlichkeitsbeurteilung von Cannabis.
Schlussfolgerung: Der BGH-Beschluss liefert wichtige Hinweise zur Anwendung des KCanG und bestätigt die Berücksichtigung der neuen gesetzlichen Regelungen auch in Fällen, die vor dem 1. April 2024 verhandelt wurden. Die Entscheidung trägt zur Klärung der Rechtslage im Umgang mit Cannabis bei.
Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. November 2024 - 1 StR 306/24