Einführung: Ein kürzlich ergangenes Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11.12.2024 (Az. VIII R 24/23) klärt wichtige Fragen zur Inanspruchnahme des Trägers eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs für nicht einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer. Die Entscheidung hat weitreichende Bedeutung für die Besteuerung von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben.
Der Fall betrifft die Frage, ob der Träger eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs für nicht abgeführte Kapitalertragsteuer in Anspruch genommen werden kann. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hatte zuvor am 11. Juli 2023 (Az: 8 K 8048/22) geurteilt.
Im Mittelpunkt des Verfahrens standen die Auslegung von § 171 Abs. 15 der Abgabenordnung (AO) in Verbindung mit § 44 Abs. 6 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Konkret ging es um die Frage, ob ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb als "Dritter" im Sinne des § 171 Abs. 15 AO anzusehen ist und ob die Fiktion des § 44 Abs. 6 Satz 1 EStG bei der Anwendung des § 171 Abs. 15 AO und des § 171 Abs. 3a AO zu beachten ist. Weiterhin war die sachliche und persönliche Beschränkung der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO relevant.
Der BFH entschied, dass ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb als "Dritter" im Sinne des § 171 Abs. 15 AO gilt. Die Fiktion des § 44 Abs. 6 Satz 1 EStG ist sowohl bei der Anwendung des § 171 Abs. 15 AO als auch des § 171 Abs. 3a AO zu beachten. Dabei ist die Trägerkörperschaft als fiktiver Gläubiger der Kapitalerträge und Steuerschuldner (Schuldner der Kapitalertragsteuer) anzusehen. Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb gilt als fiktiver Schuldner der Kapitalerträge und Steuerentrichtungspflichtiger. Der BFH bestätigte seine Rechtsprechung zur Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO (BFH-Urteil vom 06.06.2019 - IV R 34/16), wonach diese sachlich auf den im angefochtenen Bescheid festgesetzten Anspruch und persönlich auf die Person des Anfechtenden beschränkt ist. Im Kontext des § 44 Abs. 6 Satz 1 EStG bedeutet dies, dass zwischen der Trägerkörperschaft als Schuldner der Kapitalertragsteuer und dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb als fiktivem Steuerentrichtungspflichtigen Personenverschiedenheit besteht.
Das Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis der Besteuerung von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben. Es präzisiert die Haftung des Trägers eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs für nicht abgeführte Kapitalertragsteuer und klärt die Anwendbarkeit der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO in diesen Fällen.
Die Entscheidung des BFH schafft Klarheit über die rechtliche Behandlung von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben im Zusammenhang mit der Kapitalertragsteuer. Die Berücksichtigung der Fiktion des § 44 Abs. 6 Satz 1 EStG sowohl bei § 171 Abs. 15 AO als auch bei § 171 Abs. 3a AO ist für die Praxis von großer Bedeutung.
Quelle: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.12.2024 - VIII R 24/23