Einführung: Ein kürzlich ergangener Beschluss des V. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11.11.2024 (Az. V B 52/23) bekräftigt die Bedeutung des rechtlichen Gehörs im finanzgerichtlichen Verfahren. Der Beschluss verdeutlicht die Pflicht des Finanzgerichts (FG), Schriftsatznachlass zu gewähren, wenn in der mündlichen Verhandlung unerwartete Hinweise gegeben werden, zu denen sich die Beteiligten nicht sofort äußern können.
Der Beschluss erging im Rahmen eines Verfahrens, das zuvor vom Niedersächsischen Finanzgericht entschieden wurde (Urteil vom 27. Februar 2023, Az: 11 K 176/19). Die Details des zugrundeliegenden Streitgegenstandes werden im Beschluss des BFH nicht näher erläutert. Der Fokus liegt auf der Verfahrensfrage des Schriftsatznachlasses.
Kernfrage des Verfahrens war, ob das FG den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat, indem es einem Beteiligten keinen Schriftsatznachlass gewährte, nachdem in der mündlichen Verhandlung ein unerwarteter Hinweis erteilt wurde. Der BFH hatte zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung eines Schriftsatznachlasses gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 139 Abs. 5 ZPO vorlagen.
Der BFH entschied, dass das FG das rechtliche Gehör verletzt hat. Gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 139 Abs. 4 ZPO muss das Gericht den Beteiligten rechtzeitig Gelegenheit geben, sich zu entscheidungserheblichen Erwägungen zu äußern. Gibt das Gericht einen solchen Hinweis erst in der mündlichen Verhandlung und ist der Beteiligte nicht in der Lage, dazu sofort Stellung zu nehmen, so ist auf Antrag Schriftsatznachlass gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 139 Abs. 5 ZPO zu gewähren. Im vorliegenden Fall hat das FG diesen Anspruch verletzt, da der Hinweis in der mündlichen Verhandlung für die Beteiligten unerwartet kam und sie auch nicht damit rechnen mussten.
Der Beschluss des BFH stärkt die Rechte der Beteiligten im finanzgerichtlichen Verfahren. Er stellt klar, dass Gerichte auch in der mündlichen Verhandlung darauf achten müssen, das rechtliche Gehör zu gewährleisten und den Parteien ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung des § 139 ZPO für ein faires Verfahren.
Der BFH-Beschluss vom 11.11.2024 (Az. V B 52/23) liefert eine wichtige Klarstellung zur Gewährung von Schriftsatznachlass im finanzgerichtlichen Verfahren. Er betont die Bedeutung des rechtlichen Gehörs und verpflichtet die Finanzgerichte, den Beteiligten ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, insbesondere wenn in der mündlichen Verhandlung unerwartete Hinweise erteilt werden. Die Entscheidung dürfte die Praxis der Finanzgerichte beeinflussen und zu einer stärkeren Berücksichtigung der Rechte der Beteiligten führen.
Quelle: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.11.2024, Az. V B 52/23 (abrufbar über die Entscheidungsdatenbank des BFH)