Einführung: Ein kürzlich ergangenes Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 17. Oktober 2024 (8 AZR 42/24) klärt die Frage des Einsichtsrechts ehemaliger kirchlicher Angestellter in Protokolle nichtöffentlicher Sitzungen des Kirchengemeinderats. Das Urteil hat weitreichende Bedeutung für das kirchliche Arbeitsrecht und den Datenschutz.
Sachverhalt: Die Klägerin war von 1978 bis 2015 als Organistin und Chorleiterin bei der beklagten evangelischen Kirchengemeinde beschäftigt. Im Jahr 2006 fand eine nichtöffentliche Sitzung des Kirchengemeinderats statt, in der ausschließlich arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen die Klägerin beraten wurden. Die Klägerin verlangte Einsicht in das Protokoll dieser Sitzung, was die Beklagte verweigerte. Auch vorherige Versuche der Klägerin, unter anderem vor dem Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche, blieben erfolglos.
Rechtliche Probleme: Kern der rechtlichen Auseinandersetzung war die Frage, ob die Klägerin trotz der Nichtöffentlichkeit der Sitzung einen Anspruch auf Einsicht in das Protokoll hat. Die Klägerin stützte ihren Anspruch auf die Kirchliche Anstellungsordnung (KAO) und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Beklagte argumentierte, die Nichtöffentlichkeit der Sitzung und die damit verbundene Verschwiegenheitspflicht stünden einem Einsichtsrecht entgegen.
Entscheidung und Begründung: Das BAG gab der Klage statt. Es entschied, dass die Klägerin einen Anspruch auf Herausgabe einer Kopie des Protokolls aus § 3 Abs. 5 KAO in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB und Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG hat. Das Protokoll sei Teil der materiellen Personalakte der Klägerin, auf die sich das Einsichtsrecht nach der KAO beziehe. Die Nichtöffentlichkeit der Sitzung stehe dem nicht entgegen, da diese vorrangig dem Schutz der betroffenen Person diene und nicht deren Informationsrecht einschränken solle. Die Verschwiegenheitspflicht der Kirchengemeinderatsmitglieder beziehe sich zudem nicht auf die betroffene Person selbst. Das Gericht stellte auch klar, dass die Meinungsfreiheit der Mitglieder des Kirchengemeinderats durch das Einsichtsrecht nicht übermäßig beeinträchtigt werde, da die Protokolle in der Regel keine individuellen Meinungsäußerungen enthalten.
Auswirkungen: Das Urteil stärkt die Rechte von kirchlichen Angestellten und verdeutlicht die Bedeutung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung auch im kirchlichen Kontext. Es schafft Klarheit über den Umfang des Einsichtsrechts in Protokolle nichtöffentlicher Sitzungen, die Personalangelegenheiten behandeln.
Schlussfolgerung: Das BAG-Urteil stellt einen wichtigen Beitrag zur Rechtsprechung im kirchlichen Arbeitsrecht dar. Es ist zu erwarten, dass die Entscheidung Auswirkungen auf die Praxis der Kirchengemeinden im Umgang mit Personalangelegenheiten und der Protokollierung von Sitzungen haben wird.
Quelle: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. Oktober 2024 - 8 AZR 42/24 (abrufbar unter juris.bundesarbeitsgericht.de)