Einführung: Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 5. Dezember 2024 (Az.: 2 C 10/24) die Annullierung einer Prüfung im Vorbereitungsdienst für den Polizeivollzugsdienst bestätigt. Der Fall wirft wichtige Fragen zur Chancengleichheit im Prüfungsverfahren und den rechtlichen Grundlagen für die Annullierung von Prüfungen auf.
Der Kläger, ein Polizeikommissar-Anwärter, hatte im März 2018 die Modulprüfung "Rechts- und Handlungsgrundlagen zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit" nicht bestanden. Im August 2018 nahm er an der ersten Wiederholungsprüfung teil und erreichte nach mündlicher Mitteilung ein ausreichendes Ergebnis. Der Prüfungsausschuss annullierte jedoch die Prüfung, da die Prüfungsaufgaben den Teilnehmern bekannt gewesen sein sollen. Der Kläger klagte gegen die Annullierung.
Zentraler Streitpunkt war die Rechtsgrundlage für die Annullierung der Prüfung. Das Oberverwaltungsgericht hatte die Annullierung aufgehoben, da es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage fehlte. Das BVerwG musste klären, ob die Annullierung trotz fehlender expliziter Regelung in der Sächsischen Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Fachrichtung Polizei (SächsAPOPol F2015) rechtmäßig war.
Das BVerwG hob das Urteil des Oberverwaltungsgerichts auf und wies die Klage des Klägers ab. Es begründete seine Entscheidung mit der entsprechenden Anwendung der Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) auf das Prüfungsrecht. Zwar seien die Bewertung der Modulprüfung und ihre mündliche Bekanntgabe keine Verwaltungsakte, jedoch gebiete der Schutz der Rechtsposition des Prüflings eine analoge Anwendung des § 48 VwVfG. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme seien erfüllt, da die Prüfungsaufgabe aufgrund der vorherigen Bekanntgabe der Lösungsskizze nicht den Anforderungen des § 15 Abs. 3 SächsAPOPol F2015 entsprochen habe und die Prüfung somit rechtswidrig gewesen sei. Die Annullierung sei zur Gewährleistung der Chancengleichheit und der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung erforderlich.
Das Urteil stärkt den Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungsverfahren und verdeutlicht, dass auch bei fehlender expliziter Regelung im Prüfungsrecht eine Annullierung von Prüfungen aufgrund von Verfahrensfehlern möglich ist. Es unterstreicht die Bedeutung der Geheimhaltung von Prüfungsaufgaben und die Notwendigkeit, einen fairen Wettbewerb unter den Prüflingen zu gewährleisten.
Die Entscheidung des BVerwG schafft Klarheit über die Rechtsgrundlage für die Annullierung von Prüfungen im Polizeivollzugsdienst und betont die Bedeutung der Chancengleichheit im Prüfungsverfahren. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Rechtsprechung auf andere Bereiche des Prüfungsrechts auswirken wird.
Quelle: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 05.12.2024 - 2 C 10/24